20.
Mai 2025

Wenn der Chef zweimal klingelt – Teslas Umgang mit kranken Mitarbeitern

Ein Kommentar aus unserer Kanzlei für Arbeitsrecht

Grünheide, Brandenburg. Dort, wo Tesla seine Gigafactory betreibt, wird Zukunft gemacht – angeblich. Doch wie diese Zukunft für die Menschen aussieht, die tagtäglich in Schichten Batterien und E-Autos montieren, steht auf einem ganz anderen Blatt. Seit Wochen häufen sich Berichte über einen Umgang mit kranken Beschäftigten, der nicht nur Fragen aufwirft, sondern einen eiskalten Kulturkonflikt offenlegt: Zwischen amerikanischer Management-Doktrin und deutschem Arbeitsrecht.

„Sie sind krank? Wir kommen vorbei.“

Was nach einem fürsorglichen Hausbesuch klingt, entpuppt sich als Repressionsinstrument: Nach Angaben der IG Metall tauchten Tesla-Vorgesetzte unangekündigt bei krankgeschriebenen Mitarbeitenden zu Hause auf. Hinzu kommen Berichte über rückwirkend angezweifelte Krankschreibungen, verweigerte Lohnfortzahlungen und Aufforderungen, Diagnosen offenzulegen – teils verbunden mit der Forderung, Ärztinnen und Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.

Das ist nicht nur juristisch fragwürdig. Das ist ein Angriff auf die Würde von Beschäftigten.

Wenn die Gesundheit zum Risiko wird

Eine Kündigung wegen Krankheit ist rechtlich nur dann haltbar, wenn drei zentrale Bedingungen erfüllt sind:

Die Gesundheitsprognose muss negativ ausfallen. Es muss zu erwarten sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig weiterhin oder erneut krankheitsbedingt ausfällt. Das gilt besonders bei Langzeiterkrankungen oder häufigen Kurzerkrankungen. In der Regel muss der Arbeitgeber schon einen Zeitraum von 24 Monaten beobachten, bevor eine solche Prognose überhaupt angestellt werden kann. Eine vorher ausgesprochene Kündigung kann schon deshalb unwirksam sein.

Die betrieblichen Interessen müssen erhebliche beeinträchtigt sein. Die Krankheit muss die betrieblichen Abläufe spürbar stören – etwa durch häufige Fehlzeiten, Kostenbelastung oder Produktionsausfälle.

Eine umfassende Interessenabwägung ist notwendig. Eine Betrachtung des Einzelfalls muss ergeben, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Dabei wird berücksichtigt, wie lange der Arbeitnehmer schon im Betrieb ist, wie alt er ist und ob eine Weiterbeschäftigung eventuell auf einem anderen Arbeitsplatz möglich wäre.

Dabei ist der Schutz im Krankheitsfall keine Gnade, sondern ein Rechtsanspruch. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz ist kein Wunschzettel – sondern Gesetz. Und ärztliche Atteste sind kein netter Hinweis, sondern Beweismittel. Wer sie pauschal in Zweifel zieht, greift nicht nur den Einzelnen an, sondern das System, das ihn schützt.

Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei ausschließlich Arbeitnehmer vertritt, sagen ganz klar:

„Krankheit ist kein Kündigungsgrund. Und Vertrauen beginnt nicht mit Kontrolle – sondern mit Respekt.“