18.
Okt 2023

BGH verhandelt im November Klage zum Wohnmobil-Abgasskandal

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aktuell bekanntgegeben, dass an Deutschlands oberstem Zivilgericht im November erstmals eine Schadensersatzklage im Wohnmobil-Abgasskandal verhandelt wird. Somit ist sehr wahrscheinlich, dass es noch in diesem Jahr zur ersten höchstrichterlichen Entscheidung in der Sache kommt. Das ist auch insofern wichtig, da eine Verjährung der Entschädigungsansprüche betroffener Wohnmobil-Besitzer zum 01. Januar 2024 droht.

Das sind die Hintergründe des BGH-Verfahrens

In dem BGH-Verfahren geht es um ein Wohnmobil der Marke Sunlight, das auf Basis eines Fiat Ducato gebaut und unter der Umweltnorm Euro 6 zugelassen wurde. Der Kläger hatte das Diesel-Fahrzeug im April 2018 für 52.300 Euro gekauft und weitere 5.483,03 Euro für die Finanzierung des Fahrzeugs aufgewendet.

Im Sommer 2020 veröffentlichte die Staatsanwaltschaft Frankfurt nach mehreren Razzien in Geschäftsgebäuden von Fiat eine Pressemitteilung, in der die Frankfurter Ermittler über illegale Abschalteinrichtungen in mehr als 200.000 Fiat-Fahrzeugen in Deutschland berichteten, darunter zahlreiche Wohnmobile. Als der Kläger erfuhr, dass wohl auch die Abgasreinigung seines Fahrzeugs illegal manipuliert wurde, ging er juristisch gegen Fiat vor und forderte Schadensersatz.

Der Mann verklagte Fiat wegen vorsätzlicher Schädigung auf die Rückabwicklung seines Fahrzeugs, scheiterte mit dieser Klage jedoch im Jahr 2022 am Landgericht Bayreuth und dem Oberlandesgericht Bamberg. Im März dieses Jahres senkten die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) allerdings die Hürden für erfolgreiche Schadensersatzklagen im Abgasskandal und entschieden, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal selbst bei einer fahrlässigen Schädigung bestehen. Die BGH-Richter müssen nun prüfen, welche Folgen sich daraus für den Wohnmobil-Abgasskandal ergeben.

Verbraucherfreundliche Entscheidung bahnt sich an

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Richter am Bundesgerichtshof eine verbraucherfreundliche Entscheidung verkünden werden. Folglich wird der Wohnmobil-Besitzer sein Fahrzeug wohl entweder an Fiat zurückgeben dürfen oder einen Teil des ursprünglich gezahlten Kaufpreises als Entschädigung erhalten und sein Wohnmobil im Gegenzug behält. Schließlich hätte der Kläger das Fahrzeug wohl nicht oder zumindest nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn der Abgasskandal zum Kaufzeitpunkt bereits öffentlich bekannt gewesen wäre.

Längst haben unabhängige Abgastests und auch Messungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) nämlich bestätigt, dass Wohnmobile, die auf Basis des Fiat Ducato gebaut wurden, ihre Abgasreinigung unter anderem etwa 22 Minuten nach dem Start des Motors sowie in Abhängigkeit von der jeweiligen Außentemperatur auf ein unerlaubt niedriges Niveau reduzieren. Dadurch hielten die Wohnmobile die Schadstoff-Grenzwerte zwar während amtlicher Abgastests ein und erhielten deshalb auch die Typgenehmigung. Doch im Normalbetrieb stoßen die Wohnmobile regelmäßig unerlaubt viele Schadstoffe aus. Das ist selbstverständlich illegal.

BGH-Entscheidung vor drohender Verjährung?

Ob die BGH-Richter dem Kläger sofort Schadensersatz zusprechen oder das Verfahren zunächst noch einmal an das zuständige Oberlandesgericht zurückverweisen, wo dann über die Höhe der fälligen Entschädigung entschieden werden muss, ist noch unklar. Allerdings werden die BGH-Richter ihre Entscheidung voraussichtlich noch in diesem Jahr verkünden und anderen betroffenen Fahrzeughaltern somit zu mehr Rechtssicherheit verhelfen.

Das ist vor allem deshalb relevant, weil zum 01. Januar 2024 bereits die Verjährung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Wohnmobil-Abgasskandal droht. Das liegt daran, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt die Öffentlichkeit im Jahr 2020 im Rahmen einer Pressemitteilung über den Wohnmobil-Abgasskandal informierte und die zivilrechtliche Verjährungsfrist drei Jahre zum Jahresende beträgt.

Folglich ist es möglich, dass die Gerichte in Deutschland entscheiden werden, dass betroffene Fahrzeughalter durch diese Pressemitteilung von der Manipulation ihres Fahrzeugs hätten erfahren müssen und die dreijährige Verjährungsfrist ab diesem Zeitpunkt zu laufen begann. Wer bislang noch keine Rechtsansprüche im Wohnmobil-Abgasskandal durchgesetzt hatte, sollte daher bestmöglich noch in diesem Jahr eine Klage einreichen, um eine mögliche Verjährung bestehender Entschädigungsansprüche zu vermeiden.

Wohnmobil-Abgasskandal: Diese rechtlichen Möglichkeiten haben betroffene Fahrzeughalter

Im Rahmen einer Schadensersatzklage können die Halter von illegal manipulierten Wohnmobilen juristisch gegen den verantwortlichen Motorenhersteller – also Fiat bzw. dessen Mutterkonzern Stellantis – vorgehen. Die Unternehmen, die die Fiat-Fahrzeuge zu Wohnmobilen ausgebaut haben, müssen sich hingegen nicht deswegen verantworten. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass Wohnmobil-Hersteller wie Hymer, Carthago oder Dethleffs von den illegalen Manipulationen wussten.

Grundsätzlich besteht wegen des Abgasskandals die Möglichkeit, das eigene Fahrzeug an den verantwortlichen Fahrzeughersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es auch möglich, das jeweilige Wohnmobil zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teilbetrags des eigentlichen Kaufpreises durchzusetzen. Selbst für bereits verkaufte Fahrzeuge können teilweise Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision. Sollte ein Verfahren unerwarteterweise verloren gehen, übernimmt der Prozesskostenfinanzierer hingegen sämtliche Verfahrenskosten und sogar die Anwaltskosten der Gegenseite. Die Kläger müssen in diesem Fall keinen Cent bezahlen.

Prüfen Sie jetzt Ihren Anspruch: