08.
Jan 2021

Ist das Verkehrsministerium im Abgasskandal haftbar?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Dezember entschieden, was eigentlich längst klar war: Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen sind illegal, wenn diese zu einem unterschiedlichen Schadstoffausstoß zwischen Prüfstand und Normalbetrieb führen. Einige Autobauer behaupteten nach dem Urteil jedoch, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ebensolche Abschalteinrichtungen zuvor bewusst genehmigt hat. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, könnte das deutsche Verkehrsministerium– die Dachorganisation des KBA – in der Sache haftbar gemacht werden. Es drohen Klagen in Milliardenhöhe.

 

Kraftfahrt-Bundesamt: Die intransparente Behörde 

In Deutschland ist das Kraftfahrt-Bundesamt für die Zulassung von Fahrzeugen zuständig. Die Behörde führt auch Emissionstests durch, die den Schadstoffausstoß der PKW überprüfen. Neufahrzeuge müssen in Europa nämlich auch gewisse Umweltstandards einhalten. Sobald das KBA einem Fahrzeug die Straßenzulassung erteilt, darf dieses ohne weitere Tests innerhalb der ganzen EU vertrieben werden. 

Die Transparenz dieser Emissionstests wird jedoch seit Jahren von Experten kritisiert. Während ausländische Behörden ihre Ergebnisse öffentlich machen müssen, präsentiert sich das KBA diesbezüglich bedeckt. Selbst öffentlich-rechtliche Medien müssen regelmäßig Steuergelder investieren, um die Herausgabe von KBA-Informationen einzuklagen. Das ist insofern absurd, da das KBA als öffentliche Behörde ebenfalls staatlich finanziert wird.
 

Experten kritisieren KBA-Nähe zur Automobilindustrie 

Auch im Zusammenhang mit dem Dieselskandal steht die Behörde in der Kritik: Die Kommunikation zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und den verantwortlichen Automobilherstellern findet ausschließlich hinter verschlossenen Türen statt. Schadstoff-Tests, die wegen des Skandals durchgeführt wurden, werden geheim gehalten. Das Verkehrsministerium hat sogar bewusst darauf verzichtet, Strafen gegen die verantwortlichen Autobauer zu verhängen. Nun geben Autobauer sogar an, dass das KBA bewusst illegale Abschalteinrichtungen erlaubt hat. 

Die Nähe zwischen der Auto-Lobby und Verkehrsministerium ist bekannt. Auf Gesetze, die sich auf die Automobilindustrie auswirken, wird bereits in der Entwurfsphase eingewirkt. Die ehemalige KBA-Chefin, Erika Emmerich, wurde im Anschluss an diese Tätigkeit sogar zur Präsidentin des größten deutschen Auto-Lobbyverbands – dem Verband der Automobilindustrie (VDA). 

 

Genehmigte das KBA bewusst illegale Abschalteinrichtungen? 

Nun droht dem Verkehrsministerium ein enormer Schaden wegen dieser engen Verbindung zu den deutschen Autobauern. Das KBA soll nämlich sogenannte Thermofenster als zulässig erklärt haben, obwohl diese eindeutig gegen geltendes EU-Recht verstoßen. 

Thermofenster sind Abschalteinrichtungen, die den Schadstoffausstoß von PKW beeinflussen. Namensgetreu funktioniert die Abgasreinigung dadurch nur innerhalb eines bestimmten Temperaturfensters – in der Regel zwischen ungefähr 15 und 33 Grad. Durchschnittstemperaturen in dieser Höhe werden in Deutschland jedoch nur in den wenigsten Monaten erreicht. Folglich stoßen die Fahrzeuge mit eingebauten Thermofenstern meist ein Vielfaches der zulässigen Schadstoffmengen aus und belasten die Umwelt enorm. 

 

Thermofenster: Schadensersatzansprüche in Milliardenhöhe 

„Es ist kaum vorstellbar, dass Fahrzeughersteller dem Kraftfahrt-Bundesamt wirklich offengelegt haben, dass ihre Fahrzeuge nur bei Temperaturen zwischen ungefähr 15 bis 33 Grad die Emissionsgrenzwerte einhalten. Die Behörde wusste, dass ein solches Verhalten illegal ist. Zuletzt haben die Richter des Europäischen Gerichtshof einmal mehr hervorgehoben, dass die Gesetzgebung diesbezüglich eindeutig ist.  

Sollte also tatsächlich herauskommen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt diese Thermofenster erlaubt hat und über ihre vollständige Funktionsweise Bescheid wusste, wären Staatshaftungsansprüche und ein EU-Vertragsverletzungsverfahren mehr als nur die logische Konsequenz. Allein in Deutschland sind mehrere Millionen Fahrzeuge mit eingebauten Thermofenstern zugelassen. Dem Ministerium von Andreas Scheuer würden folglich Klagen in Milliardenhöhe drohen“, erklärt Claus Goldenstein, Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Goldenstein. Er ergänzt: 

“Betroffenen Verbrauchern raten wir dazu, sich bezüglich ihrer juristischen Möglichkeiten beraten zu lassen. Diese haben nämlich definitiv Anspruch auf Schadensersatz – unabhängig davon, ob das Verkehrsministerium oder der jeweilige Hersteller haftbar zu machen ist. Wir von der Kanzlei Goldenstein arbeiten intensiv daran, dass der Abgasskandal endlich vollständig aufgeklärt wird. So vertreten wir bereits mehr als 24.600 Mandanten in der Sache. Betroffenen Haltern stehen wir gern für eine kostenfreie Rechtsberatung zur Verfügung.” 

 

Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal   

Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. 

 

So setzen sich die Dieselskandal-Entschädigungen zusammen    

Die jeweilige Entschädigungssumme im Dieselskandal setzt sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere ist abhängig von der individuellen Laufleistung des jeweiligen Fahrzeuges. Darüber hinaus erhalten die betroffenen Kläger ab dem Tag der Klage-Einreichung Verzugszinsen, die die Entschädigungssumme erhöhen. 

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