10.
Aug 2021

So funktionieren die Abschalteinrichtungen von Fiat

Seit Oktober 2020 ist der Fiat-Abgasskandal in Deutschland richtig präsent. Damals gab die Staatsanwaltschaft Frankfurt bekannt, dass hierzulande vermutlich mehr als 200.000 Fahrzeuge von den illegalen Manipulationen betroffen sind. Zuvor durchsuchten die Frankfurter Ermittler mehrere Geschäftsräume von Fiat Chrysler und Iveco in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Doch wie hat Fiat die eigenen Fahrzeuge eigentlich manipuliert?

Mehrere Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen des Fiat-Konzerns

Hoch komplex sind die bislang entdeckten Abschalteinrichtungen von Fiat nicht. Konkret soll die Abgasreinigung in manipulierten Fiat-Fahrzeugen nach 22 Minuten komplett abschalten. Danach stoßen die betroffenen Autos teilweise sogar das 19-fache der erlaubten Schadstoffmengen aus. Zugelassen wurden die Abgasskandal-Autos demnach nur, weil die Abgastests im Rahmen des EU-Zulassungsprozesses in der Regel nur 20 Minuten andauerten.

Neben der zeitabhängigen Abschalteinrichtung sollen einige Fiat-Fahrzeuge auch sogenannte Thermofenster enthalten. Das sind Abschalteinrichtungen, die die Abgasreinigung auf Basis der Außentemperatur regulieren. Die betroffenen Fahrzeuge halten die vorgeschriebenen Umweltrichtlinien meist nur bei Temperaturen zwischen etwa 15 und 30 Grad Celsius wirklich ein. Unter- und oberhalb dieser Temperaturen steigt der Schadstoffausstoß dann auf ein unerlaubt hohes Niveau an.

Es ist darüber hinaus sehr wahrscheinlich, dass Autos des ehemaligen Fiat Chrysler-Konzerns (heute Stellantis) noch weitere illegale Abschalteinrichtungen enthalten. Auch bei Herstellern wie Audi, Daimler und Volkswagen wurden erst nach und nach alle verwendeten Abschalteinrichtungen entdeckt und teilweise kommen diesbezüglich auch heute noch neue Details ans Licht. Das deutsche Verkehrsministerium gab beispielsweise kürzlich bekannt, dass in Mercedes-Benz-Fahrzeugen insgesamt fünf verschiedene Abschalteinrichtungen entdeckt wurden.

700 Millionen Dollar-Strafzahlung in den USA

Fiat musste in den USA vor knapp zwei Jahren bereits eine Millionenstrafe wegen des Abgasskandals zahlen. Damals brachte der italienische Konzern 700 Millionen US-Dollar auf, um den Abgasskandal-Streit mit den amerikanischen Behörden zu beenden. Gleichzeitig verpflichtete sich Fiat unter anderem zu der Nachrüstung von manipulierten Autos sowie der Beteiligung an Umweltprojekten.

In Europa kam es bislang noch nicht zu Strafzahlungen gegen Fiat oder Rückrufen von manipulierten Fiat-Autos. Das liegt allerdings nicht daran, dass in Europa keine Abgasskandal-Autos von Fiat-Autos zugelassen wurden. Stattdessen blieben die italienischen Behörden, die für die Zulassung und die Rückrufe von Fiat-Autos zuständig sind, bislang einfach untätig in der Sache.

Experten vermuten dahinter einen Versuch, Fiat zu schützen. Doch diese Taktiererei ist nicht gesetzeskonform. Schließlich ist Betrug überall in Europa verboten und es wäre ungerecht, wenn deutsche Autobauer wie Volkswagen und Daimler für ihre Verfehlungen belangt werden, ausländische Autobauer aber nicht. Die EU-Kommission hat deshalb bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet. Insofern wird es früher oder später dazu kommen, dass sich auch Fiat wegen des Abgasskandals verantworten muss.

Diese Fahrzeuge aus dem Fiat-Konzern sind vom Abgasskandal betroffen

Bislang kann davon ausgegangen werden, dass quasi sämtliche Euro 5- und Euro 6-Fahrzeuge von Iveco, Fiat und auch Fiats Tochterunternehmen Alfa-Romeo und Jeep vom Abgasskandal betroffen sind. Die einzige Ausnahme bilden Fahrzeuge der Schadstoffnorm Euro 6d.

In Deutschland ist vor allem die Wohnmobil-Szene vom Fiat-Abgasskandal betroffen. Das liegt daran, dass der Fiat Ducato, der nachweislich in mehreren Ausführungen manipuliert wurde, als Basis für rund zwei Drittel aller Reisemobile dient. Insgesamt setzen mehr als 50 Wohnmobil-Hersteller auf den Ducato.

Vorsicht vor freiwilligen Software-Updates

Obwohl es keine offiziellen Rückrufe gibt, kontaktiert Fiat betroffene Fahrzeughalter seit einigen Jahren, um die Abgasreinigung der Automobile mittels eines Software-Updates zu verändern. Wer von Fiat oder seinem Vertragshändler bezüglich der Serviceaktion 6042 kontaktiert wird, sollte deshalb aufpassen.

Jeder zweite Halter eines illegal manipulierten Fahrzeugs klagt nämlich nach der Installation eines solchen Software-Updates über Fahrzeugprobleme. So zählen ein erhöhter Kraftstoffverbrauch, unangenehme Gerüche und sogar Motorschäden häufig zu den Begleiterscheinungen, die ein Software-Update mit sich bringt.

Daher sollten sich Autobesitzer sofort anwaltlich beraten lassen, wenn sie ein Software-Update auf ihrem Fahrzeug installieren lassen sollen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein freiwilliges Update oder ein amtlich angeordnetes Software-Update handelt.

Die Rechtsansprüche im Rahmen des Fiat-Abgasskandals

Wer vermutet, dass sein Fiat-Fahrzeug illegal manipuliert wurde, sollte sich unbedingt bezüglich der eigenen rechtlichen Möglichkeiten informieren. Der Abgasskandal bei Herstellern wie VW oder Daimler hat bereits gezeigt, dass die manipulierten Fahrzeuge unter anderem von enormen Wertverlusten betroffen sind und im schlimmsten Fall sogar stillgelegt werden können, wenn die Abgasreinigung nicht normalisiert werden kann.

Unter anderem deshalb haben betroffene PKW-Besitzer die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. So besteht die Option, das manipulierte Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben und im Gegenzug eine Entschädigung zu erhalten, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert.

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte zudem unter anderem, dass betroffene Halter auch Ansprüche auf ein neues, mangelfreies Fahrzeug durchsetzen können. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die Gewährleistungsfrist in Höhe von zwei Jahren noch nicht eingetreten ist.

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