25.
Jun 2020

VW-Dieselskandal: Die Verjährungsfrist ist noch nicht eingetreten

Im Mai diesen Jahres hat der Bundesgerichthof (BGH) Haltern von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen mit einem Urteil zu Rechtssicherheit verholfen: Sie können ihre Fahrzeuge an den Autohersteller zurückgeben und erhalten dafür eine Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. VW argumentiert nun, dass die Rechte von betroffenen Fahrzeughaltern aus Deutschland bereits verjährt seien. Das ist jedoch nicht korrekt.

Das ist die Rechtslage in Deutschland

Der BGH hat die Abgas-Manipulationen des Wolfsburger Konzerns als eine sittenwidrige und somit illegale Handlung eingestuft. Im Fall von Betrug oder sittenwidriger Schädigung gilt in Deutschland grundsätzlich eine Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende ab Kenntnis der geschädigten Personen. VW argumentiert nun, dass betroffene Verbraucher spätestens 2016 vollständig über den Betrug Bescheid wussten. Damals informierte der Konzern die Halter von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen schriftlich über diese Information. Folglich wären die Rechte von betroffenen Haltern am 1. Januar 2020 verjährt.

Eingetretene Verjährungsfrist: Will VW seine Kunden erneut bewusst täuschen?

Es ist jedoch äußerst fraglich, ob diese Argumentation von Volkswagen juristisch tragbar ist. Vielmehr könnte vermutet werden, dass VW rechtmäßige Entschädigungszahlungen einsparen will, indem der Konzern Verbraucher von ihrer Rechtsdurchsetzung abhält. Tatsächlich wurde die Verjährungsfrist im Dieselskandal bislang nämlich noch nicht von dem obersten deutschen Gericht – dem BGH – geklärt. 

Experten halten VW-Aussagen für falsch

Zahlreiche Rechtsexperten sind der Meinung, dass es für den allgemeinen Verbraucher im Jahr 2016 überhaupt nicht klar gewesen sein kann, in welcher Form das eigene Fahrzeug manipuliert wurde. Dafür hätten die betroffenen Halter nämlich von sämtlichen Umständen, die ihren Rechtsanspruch begründen, Kenntnis haben müssen. Hierzu gehört vor allem die Kenntnis über die konkret verwendete Software sowie deren Wirkweise und rechtliche Einordnung. Davon hängt schließlich die Gebrauchsfähigkeit und das damit einhergehende Stilllegungsrisiko der betroffenen Fahrzeuge ab. Auch der entstandene Vermögensschaden war im Jahr 2016 kaum absehbar.

Tatsächlich ist der Dieselskandal selbst bis heute nicht vollständig aufgeklärt und die Volkswagen AG hat bis zuletzt bestritten, dass sie eine rechtlich unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat. Wieso sollte also ein Verbraucher als technischer und rechtlicher Laie im Jahr 2016 mehr gewusst haben, als Volkswagen heute zu wissen vorgibt? 

Rechtsschutzversicherer decken Klagen gegen VW auch im Jahr 2020
Auch zahlreiche Rechtsschutzversicherer gehen davon aus, dass die Verbraucherrechte im VW-DIeselskandal noch nicht verjährt sind, denn diese decken nachwievor die Kosten für aktuell eingereichte Klagen. Das ist insofern spannend, da einige Versicherer sich im Jahr 2016 teilweise noch weigerten, die Verfahrenskosten für Dieselskandal-Prozesse zu tragen. 

Damals entschieden die deutschen Gerichte nämlich lange nicht so verbraucherfreundlich wie heute. Erst 2019, als die Kanzlei Goldenstein das erste Dieselskandal-Urteil vor einem Oberlandesgericht in Deutschland erwirkte, änderte sich die Sachlage diesbezüglich. Seitdem sprachen nahezu sämtliche Gerichte in Deutschland betroffenen VW-Haltern Entschädigungen zu.

Richter fordert Verjährungsfrist von zehn Jahren

Zudem ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Verjährungsfrist im Dieselskandal sogar zehn Jahre beträgt. Diese Auffassung vertreten einige deutsche Juristen, darunter ein Richter des Landgericht Marburg. Dieser verwies kürzlich darauf, dass im Dieselskandal ein Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 BGB bestehe. Demnach müsse VW den durch die Manipulationen unrechtmäßig durchgesetzten finanziellen Vorteil an die betroffenen Kunden zurückerstatten. In diesem Fall sieht der Gesetzgeber eine Verjährungsfrist von zehn Jahren vor. Das würde bedeuten, dass Verbraucher ihre Rechte noch einige Jahre erfolgreich gegen VW durchsetzen könnten.

Verjährungsfrist könnte bald von vorn beginnen

Darüber hinaus könnte der Dieselskandal noch in diesem Jahr quasi von vorn beginnen. Ende April 2020 hat die Generalanwaltschaft des Europäischen Gerichtshof (EuGH) nämlich in einem Schlussantrag verkündet, dass sämtliche Fahrzeugfunktionen als illegale Abschalteinrichtungen gelten, wenn diese im Realbetrieb zu einem höheren Abgasausstoß führen als auf dem Prüfstand. 

Zahlreiche Autobauer – darunter BMW, Mercedes-Benz und Volvo – haben Abschalteinrichtungen verbaut. Tests haben zudem ergeben, dass auch die manipulierten VW-Dieselfahrzeuge nach der Durchführung des verpflichtenden Software-Updates nur bei bestimmten Temperaturen tatsächlich sauber sind.

Sollten die Richter des EuGH dieser Rechtsauffassung in ihrem baldigen Urteil folgen, würde dies unter anderem bedeuten, dass bei den Software-Updates sämtlicher VW-Fahrzeuge abermals mit illegalen Abschalteinrichtungen gearbeitet wurde. Die betroffenen Halter könnten ihre Entschädigungsansprüche dementsprechend problemlos gegen VW durchsetzen und die Verjährungsfrist würde erst wieder in frühestens drei Jahren greifen.

So setzen sich die Entschädigungen zusammen

In Deutschland setzt sich die jeweilige Entschädigungssumme im Abgasskandal aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere ist abhängig von der individuellen Laufleistung des jeweiligen Fahrzeuges. Zudem werden den betroffenen Fahrzeughaltern Verzugszinsen in Höhe von aktuell 4,12 Prozent ab dem Zeitpunkt der Klage zugesprochen.

Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal

Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiterzunutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. Auf www.ra-goldenstein.de können Autobesitzer ihren möglichen Anspruch kostenfrei prüfen lassen. 

 

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