Vor EuGH-Abgasskandal-Urteil: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Berlin-Schönefeld, 20. März 2023. Morgen wird am Europäischen Gerichtshof (EuGH) eines der wichtigsten Urteile im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Aufarbeitung des Abgasskandals verkündet. Anlässlich dessen beantwortet der Rechtsanwalt Claus Goldenstein nachfolgend die wichtigsten Fragen zum Thema. Goldensteins gleichnamige Verbraucherkanzlei vertritt insgesamt mehr als 50.000 Mandanten im Zusammenhang mit dem Abgasskandal.

Was sind die Hintergründe des Verfahrens?

Das Landgericht Ravensburg hat im Rahmen einer Schadensersatzklage gegen Mercedes-Benz ein Vorabentscheidungsersuchen eingeleitet und dem Europäischen Gerichtshof insgesamt sieben Fragen übermittelt. Mit Spannung wird vor allem erwartet, wie die EuGH-Richter die vierte Frage dieses Fragenkatalogs beantworten werden.

Konkret möchten die Ravensburger Richter wissen, ob Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abgasskandal bei jeglichem schuldhaften – also fahrlässigen oder vorsätzlichen – Handeln des verantwortlichen Fahrzeugherstellers bestehen. Am deutschen Bundesgerichtshof (BGH) wurde diesbezüglich in der Vergangenheit entschieden, dass eine vorsätzliche Schädigung vorliegen muss, um Entschädigungsansprüche durchsetzen zu können.

Welche Entscheidung wird erwartet?

Wir von Goldenstein Rechtsanwälte gehen fest davon aus, dass am Europäischen Gerichtshof ein verbraucherfreundliches Urteil verkündet wird und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abgasskandal künftig auch bei fahrlässiger Schädigung durchsetzbar sind. Im vergangenen Jahr positionierte sich der zuständige EuGH-Generalanwalt bereits in diese Richtung und es ist üblich, dass die zuständigen Richter der Rechtsauffassung der Generalanwaltschaft folgen.

Auch andere Prozessbeobachter erwarten eine solche Entscheidung – zum Beispiel der Vorsitzende Richter des Stuttgarter Landgerichts. Dieser schwor seine Kollegen bereits nach dem Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts in einem internen Schreiben auf eine mögliche Klagewelle ein. In Stuttgart befindet sich nämlich unter anderem der Hauptsitz von Mercedes-Benz.

Tatsächlich verurteilten die Richter am Stuttgarter Landgericht Mercedes-Benz in den vergangenen Monaten sogar schon mehrfach wegen fahrlässiger Schädigung zur Zahlung von Schadensersatz. Auch wir von Goldenstein Rechtsanwälte konnten entsprechende Entscheidungen für unsere Mandanten erwirken.

Welche Auswirkung hat die Entscheidung?

Sollten die EuGH-Richter wider Erwarten entscheiden, dass Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abgasskandal ausschließlich bei einer sittenwidrigen, vorsätzlichen Schädigung bestehen, würde dies nichts verändern. Diese Entscheidung haben die Richter am deutschen Bundesgerichtshof nämlich bereits in der Vergangenheit verkündet.

Sollte die Luxemburger Richter allerdings verkünden, dass die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen auch bei fahrlässiger Schädigung Anspruch auf Schadensersatz haben, würde das die Durchsetzung von Rechtsansprüchen in der Sache enorm vereinfachen. Das liegt vordergründig daran, dass es deutlich einfacher ist, eine fahrlässige, statt einer sittenwidrigen Schädigung nachzuweisen.

Künftig müsste im Prinzip nur noch belegt werden, dass das jeweilige Fahrzeug zum Kaufzeitpunkt eine illegale Manipulationssoftware enthielt und der Käufer davon nichts wusste. Aktuell muss auch die Sittenwidrigkeit der Schädigung nachgewiesen werden. Dafür muss beispielsweise glaubhaft dargelegt werden, dass die Entscheidung, Diesel-Fahrzeuge illegal zu manipulieren, von Führungskräften des verantwortlichen Herstellers getroffen wurden. Entsprechende Informationen sind für die Öffentlichkeit allerdings nur in seltenen Fällen zugänglich.

Obwohl es in dem Verfahren am Landgericht Ravensburg um eine Klage gegen Mercedes-Benz geht, wird sich das EuGH-Urteil auch auf Klagen gegen andere Hersteller wie Volkswagen, Audi, Opel oder Fiat übertragen lassen. Die Entscheidung hat einerseits auf Zehntausende laufende Verfahren Einfluss. Andererseits könnten auch mehrere Millionen PKW-Besitzer, die bislang noch keine Rechtsansprüche in der Sache durchgesetzt haben, von der EuGH-Entscheidung profitieren.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aktuell juristisch dagegen vorgeht, dass europaweit fast zehn Millionen Diesel-Fahrzeuge die Typgenehmigung erhielten, obwohl sie mutmaßlich illegal manipuliert wurden. Diesbezüglich konnte die DUH im Februar bereits einen Teilerfolg am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht feiern. Sollten es zeitnah tatsächlich erneut zu mehreren Millionen Rückrufen wegen des Abgasskandals kommen, könnten viele der betroffenen Fahrzeughalter deshalb Schadensersatzansprüche geltend machen und sich auf das morgige EuGH-Urteil berufen.

Wie geht es nach dem Urteil weiter?

Morgen werden die EuGH-Richter beeinflussen, wie sämtliche Zivilgerichte in Europa die Durchsetzung von Abgasskandal-Ansprüchen in Zukunft bewerten. Der deutsche Bundesgerichtshof hat bereits für Mai ein Verfahren angesetzt, in dessen Rahmen sich Deutschlands oberste Zivilrichter auch zu dem morgigen EuGH-Urteil äußern werden. Betroffene Fahrzeughalter aus Deutschland werden also schnell erfahren, wie der Bundesgerichtshof die EuGH-Entscheidung einordnet. Sollten sich die Luxemburger Richter tatsächlich verbraucherfreundlich positionieren, wird der BGH seine bisherige Rechtsauffassung in der Sache korrigieren müssen.

Über Goldenstein Rechtsanwälte

Goldenstein Rechtsanwälte unterstützt Verbraucher bei der Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen. Diesbezüglich nimmt die Kanzlei unter anderem eine deutschlandweit führende Rolle im Zusammenhang mit dem Abgasskandal ein. Die Anwälte der Kanzlei vertreten aktuell über 65.000 Mandanten in der Sache und sind zudem für das erste verbraucherfreundliche Dieselskandal-Urteil am Bundesgerichtshof (BGH) verantwortlich. Auf www.ra-goldenstein.de können sich Verbraucher über zivilrechtliche Themen informieren und bestehende Rechtsansprüche prüfen. Die Kanzlei Goldenstein hat ihren Hauptsitz in Berlin-Schönefeld und beschäftigt derzeit über 100 Mitarbeiter an mehreren Standorten in Europa. Die Kanzlei wird von dem Rechtsanwalt Claus Goldenstein geleitet.