07.
Feb 2022

Gericht bestätigt 30-jährige Abgasskandal-Verjährung in Österreich

Die Halter von illegal manipulierten Diesel-Fahrzeugen haben wegen des Abgasskandals Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung. Während Schadensersatzansprüche in Deutschland nach spätestens zehn Jahren verjähren, lassen sich die Rechtsansprüche von Österreichern bis zu 30 Jahre lang durchsetzen. Dies bestätigten die Richter am Bezirksgericht (BG) Innsbruck aktuell.

Das sind die Hintergründe des Verfahrens

In dem Verfahren ging es um Audi Q5, der im Februar 2010 für 38.210 Euro erworben und über einen Leasingvertrag mit anschließender Fahrzeugübernahme finanziert wurde. Als der Abgasskandal 2015 bekannt wurde, war schnell klar, dass auch der Audi Q5 des Klägers den manipulierten VW-Motor mit der Bezeichnung EA189 enthält. Das Fahrzeug wurde sogar wegen der illegalen Manipulation zurückgerufen.

Im April 2021 ging der Fahrzeughalter juristisch gegen VW vor und forderte Schadensersatz von dem Wolfsburger Autobauer. Schließlich hätte er das Auto nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn der Abgasskandal zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe bereits bekannt gewesen wäre.

Kaufpreis hätte aufgrund des Fahrzeugmangels niedriger ausfallen müssen

Die Richter am BG Innsbruck folgten der Argumentation des Klägers und sprachen ihm eine Entschädigung in Höhe von 7000 Euro zu. Diese Entschädigung soll der Summe entsprechen, die der Österreicher zum Kaufzeitpunkt zu viel gezahlt hatte. Darüber hinaus führten die Richter aus, dass die Rechte des Klägers noch nicht verjährt waren, obwohl er erst elf Jahre nach der Übergabe des Fahrzeugs gegen Volkswagen vorging.

Deutsche Konsumenten haben lediglich die Möglichkeit, ihre Rechtsansprüche im Fall von Betrug bzw. sittenwidriger Schädigung – der Tatbestand im Abgasskandal – bis zu zehn Jahre nach der Fahrzeugübergabe durchzusetzen. Teilweise verjähren die Rechtsansprüche von deutschen PKW-Besitzern sogar schon drei Jahre zum Jahresende nach dem Bekanntwerden des Skandals. Nach österreichischem Recht – so führten es die Innsbrucker Richter aus – verjähren Rechtsansprüche bei Betrug jedoch erst nach 30 Jahren.

Richter bewerten auch VW Software-Update als illegal

Trotz des verbraucherfreundlichen Urteils ist es für den Kläger auch in Zukunft möglich, noch einmal gegen VW vorzugehen. Die Richter gaben nämlich an, dass Volkswagen auch für künftige Schäden am Fahrzeug haften müsse. Das liegt daran, dass die Juristen auch das VW Software-Update als mangelhaft bewerteten.

Dieses Update sollte die Abgasreinigung sämtlicher manipulierter VW-Fahrzeuge normalisieren. Doch Abgastests ergaben bereits vor Jahren, dass dieses Update ebenfalls eine Abschalteinrichtung enthält. Demnach stoßen die upgedateten Autos unter anderem bei Temperaturen in Höhe von unter 15 bzw. über 33 Grad weiterhin unerlaubt viele Schadstoffe aus. In Deutschland und Österreich werden diese Temperaturen nur in den wenigsten Monaten im Durchschnitt erreicht.

Tatsächlich befassen sich auch die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zeitnah mit der Zulässigkeit des VW Software-Updates. Da die zuständige Generalanwaltschaft in ihrem Schlussantrag zum Thema bereits zu dem Entschluss kam, dass das Update illegal sei, wird eine ähnliche Bewertung der Lage auch von den EuGH-Richtern erwartet. In der Folge müssten vermutlich sämtliche upgedateten Fahrzeuge einmal mehr zurückgerufen werden. Bislang wurde die Urteilsverkündung in der Sache allerdings noch nicht terminiert.

Rechtssicherheit in Deutschland – auch für Österreicher

Obwohl das verbraucherfreundliche Urteil aus Innsbruck ein positives Signal sendet, ist die Entscheidung bislang noch nicht rechtskräftig. Es ist also theoretisch möglich, dass das Urteil noch aufgehoben wird. Das liegt unter anderem daran, dass sich die obersten Zivilrichter in Österreich bislang noch nicht mit den Schadensersatzansprüchen im Abgasskandal befasst haben, weshalb österreichische Konsumenten diesbezüglich noch keine Rechtssicherheit genießen.

Österreicher können jedoch von der deutschen Rechtsprechung profitieren. In Deutschland haben die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) bereits mehrere verbraucherfreundliche Grundsatzurteile verkündet. Davon können auch Österreicher profitieren, denn diese haben die Möglichkeit, ihre Rechte innerhalb der 30-jährigen Verjährungsfrist auch in Deutschland durchzusetzen.

Die Abgasskandal-Rechtsdurchsetzung in Deutschland ist für Österreicher möglich, wenn der verantwortliche Hersteller seinen Hauptsitz in Deutschland hat. Das trifft beispielsweise auf Volkswagen, Audi, Opel, Porsche und Mercedes-Benz zu. Diese Autobauer wurden bereits mehrfach an ihren jeweiligen Gerichtsständen in Deutschland verurteilt. Auch Österreicher konnten ihre Rechte im Abgasskandal beispielsweise schon erfolgreich am Gerichtsstand von Volkswagen in Braunschweig durchsetzen.

Abgasskandal: Diese Rechte haben betroffene Konsumenten

Wer ein illegal manipuliertes Fahrzeug besitzt, hat grundsätzlich die Möglichkeit, das Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug lässt sich eine finanzielle Entschädigung durchsetzen, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ besteht auch die Option, das manipulierte Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten. In diesem Fall lassen sich etwa 20 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises in Form von Schadensersatz durchsetzen.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision. Selbst im Falle einer juristischen Niederlage müssen Verbraucher also keine Prozess- oder Anwaltskosten zahlen, wenn diese mit einem Prozesskostenfinanzierer kooperieren.

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