03.
Jun 2020

Eine Woche nach dem BGH-Urteil: Das müssen Diesel-Halter jetzt wissen

Am 25. Mai wurde in Deutschland Geschichte geschrieben, als Volkswagen im Rahmen des Dieselskandals erstmals am Bundesgerichtshof (BGH) zu Schadenersatz verurteilt wurde. “Das Urteil bedeutet Rechtssicherheit für Millionen Verbraucher in Deutschland und zeigt einmal mehr, dass auch ein großer Konzern nicht über dem Gesetz steht”, sagt der Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei Goldenstein den BGH-Fall betreut hat. Doch welche Bedeutung hat dieses Urteil eigentlich? Claus Goldenstein beantwortet die wichtigsten Fragen:

 

  • Was sind die Hintergründe des Verfahrens?

 

2015 wurde öffentlich, dass Volkswagen in Diesel-Modellen mit dem Motor EA 189 illegale Abschalteinrichtungen installierte. Dadurch haben die Fahrzeuge in Testsituationen einen geringeren Schadstoffausstoß vorgegeben, als es im tatsächlichen Straßengebrauch der Fall war. In der Folge musste der Wolfsburger Konzern weltweit mehr als elf Millionen Autos zurückrufen – allein in Deutschland waren es rund 2,4 Millionen Fahrzeuge. Die betroffenen PKW haben durch den Skandal massiv an Wert verloren. Zudem wurden seitdem in einigen deutschen Städten Fahrverbotszonen für bestimmte Dieselfahrzeuge eingerichtet.

Während der Konzern die Fahrzeughalter aus den USA bereits nach kurzer Zeit entschädigte, herrschte in Deutschland lange keine Rechtssicherheit. Obwohl nahezu sämtliche Gerichte hierzulande in der Sache verbraucherfreundlich entschieden, fehlte bis zum 25. Mai 2020 ein höchstrichterliches Urteil durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. 

 

 

  • Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

 

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat ein für alle Mal geklärt, dass sich Volkswagen sich bei dem Einbau von Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen sittenwidrig verhalten hat. In der Folge haben die Halter von betroffenen VW-Dieselfahrzeugen die Möglichkeit, ihre PKW gegen eine Entschädigung in Höhe des ursprünglichen Kaufpreises zurückzugeben. Zudem muss Volkswagen den betroffenen Haltern auch Verzugszinsen zahlen.

Einzig die individuelle Laufleistung jedes Fahrzeugs wirkt sich negativ auf die Entschädigungssumme aus. Die Höhe dieser sogenannten Nutzungsentschädigung berechnet sich aus dem Anteil der bisher zurückgelegten Kilometer an der maximalen Laufleistung jedes Fahrzeuges. Letztere wird in der Regel mit etwa 250.000 bis 350.000 Kilometern beziffert. Hat ein Auto also 150.000 Kilometer zurückgelegt und es wird eine maximale Laufleistung von 300.000 Kilometern angenommen, wird eine Nutzungsentschädigung von 50 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von der Entschädigungssumme abgezogen. Der Kläger bekäme folglich nur die Hälfte des Kaufpreises.

 

 

  • Für wen ist das Urteil relevant?

 

 

Insgesamt ist das BGH-Urteil für sämtliche Halter von manipulierten Dieselfahrzeugen relevant, denn der Bundesgerichtshof hat erstmals seine finale Rechtsauffassung zu diesem Thema mit der Öffentlichkeit geteilt. Zukünftig werden sich sämtliche deutschen Amts-, Landes- und Oberlandesgerichte in ihren Urteilen im VW-Dieselskandal auf die Entscheidung des Bundesgerichtshof beziehen.

Da es in dem behandelten Fall um einen Volkswagen-PKW mit einem EA 189-Motor geht, wird das Urteil zunächst für diesen Motortyp endgültig für Rechtssicherheit sorgen. Der EA 189-Motor wurde allein in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2016 in mehreren Millionen PKW-Modellen des gesamten Volkswagen-Konzerns verbaut – auch in Fahrzeugen der Hersteller Audi, Skoda, Seat und Porsche.

Aber auch für andere Hersteller von Diesel-Fahrzeugen könnte das Urteil noch an Relevanz gewinnen: Aktuell hat die Generalanwaltschaft des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in einem Schlussantrag verkündet, dass sämtliche Fahrzeugfunktionen als illegale Abschalteinrichtungen gelten, wenn diese im Realbetrieb zu einem höheren Abgasausstoß führen als auf dem Prüfstand. Zahlreiche Autobauer – darunter BMW, Mercedes-Benz und Volvo – haben Abschalteinrichtungen verbaut. Tests haben zudem ergeben, dass auch die manipulierten VW-Dieselfahrzeuge nach der Durchführung des verpflichtenden Software-Updates nur bei bestimmten Temperaturen tatsächlich sauber sind.

Sollten die Richter des EuGH dieser Rechtsauffassung in ihrem baldigen Urteil folgen, würden allein in Deutschland Millionen Fahrzeug-Rückrufe und damit eine Klagewelle drohen. Die Fahrzeughalter sämtlicher Dieselfahrzeuge in Deutschland könnten sich dann auf unser BGH-Urteil beziehen und Entschädigungen in Milliardenhöhe durchsetzen.

 

 

  • Hat das Urteil Einfluss auf den VW-Vergleich in der Musterfeststellungsklage?

 

Nein. Die Musterfeststellungsklage, an der sich rund 260.000 berechtigte VW-Halter beteiligt haben, wurde mit dem Vergleich mit VW beendet. Das Urteil des BGH hat dementsprechend keinen direkten Einfluss auf die Musterfeststellungsklage. Allerdings haben sämtliche Teilnehmer der Musterfeststellungsklage die Möglichkeit, ihre Rechte bis Mitte Oktober 2020 individuell durchzusetzen, wenn sie den Vergleich nicht akzeptiert haben.

Für diese Fahrzeughalter ist das Urteil daher relevant, denn nun wissen sie genau, welche Entschädigung ihnen zusteht. Während VW betroffenen Haltern im Rahmen des Vergleichs eine Entschädigung in Höhe von durchschnittlich 3.167 Euro pro Fahrzeug geboten hat, erhielt unser Mandant durch das BGH-Urteil mehr als 28.000 Euro für einen gebrauchten VW Sharan, den er vor mehreren Jahren für gerade einmal 3.000 Euro mehr gekauft hat.

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