01.
Sep 2021

Was wird aus dem Winterkorn-Prozess?

Ab dem 16. September 2021 soll sich der Ex-VW-Vorstand Martin Winterkorn eigentlich wegen des Abgasskandals vor Gericht verantworten. Der Tatvorwurf lautet gewerbs- und bandenmäßiger Betrug. Nun muss das Verfahren, das im Frühjahr bereits wegen der Coronakrise verschoben wurde, vermutlich ohne Winterkorns Anwesenheit starten. Der 74-Jährige unterzieht sich nämlich einer Hüft-Operation.

Winterkorn könnte erst in zwei Jahren vor Gericht erscheinen

Aktuell sieht es so aus, als würde sich das Landgericht Braunschweig zunächst nur mit den Tatvorwürfen gegen weitere Angeklagte befassen, um den Prozess nicht noch einmal zu verschieben. Das hätte zur Folge, dass Martin Winterkorn möglicherweise erst 2024 vor Gericht käme – also neun Jahre, nachdem der Abgasskandal aufgedeckt wurde.

Ob er dann noch rechtskräftig verurteilt werden kann, ist unklar. Bereits jetzt reichen Winterkorns Anwälte regelmäßig medizinische Gutachten ein, die den schlechten Gesundheitszustand des Ex-VW-Chefs belegen sollen. In zwei Jahren wird es diesbezüglich vermutlich nicht anders aussehen.

Was weiß Winterkorn über den Abgasskandal?

Winterkorn leitete den Volkswagen-Konzern zwischen 2009 und 2015. In dieser Zeit verkaufte VW weltweit mindestens 11 Millionen manipulierte Fahrzeuge. Diese waren mit einer Manipulationssoftware ausgestattet, wodurch sie während amtlicher Abgastests deutlich weniger Schadstoffe ausstießen als im tatsächlichen Straßengebrauch.

Durch diesen Betrug wurden die PKW zugelassen, obwohl sie die gesetzlichen Zulassungskriterien eigentlich nicht erfüllten. In dem Verfahren gegen Winterkorn soll es vordergründig darum gehen, inwieweit dieser über die Manipulationen Bescheid wusste. Die verantwortlichen Ermittler haben jahrelang akribisch Beweise gesammelt, um Winterkorns frühzeitiges Wissen über den Skandal zu belegen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den früheren Top-Manager bereits im April 2019 angeklagt. Beobachter erwarteten den Prozessbeginn deshalb eigentlich bereits im Jahr 2020. Die zuständigen Richter benötigten jedoch viel Zeit, um die Beweise zu prüfen und auch die Staatsanwaltschaft musste bestimmte Aussagen aus der Klageschrift noch einmal anpassen. Dann kam Corona und nun die Hüft-OP…

Abgasskandal-Aufklärung ist erforderlich

Ob der VW-Abgasskandal jemals komplett aufgeklärt werden kann, ist unklar. Volkswagen tut alles, um möglichst wenig Informationen in der Sache ans Licht kommen zu lassen. So verweigerte der Konzern der Staatsanwaltschaft beispielsweise Zugriff auf die unternehmensinternen Ermittlungsakten.

Insofern bietet das Winterkorn-Verfahren eine Chance, um möglichst viele Informationen über den Abgasskandal zu erhalten und die Verantwortlichen für diesen Skandal zur Rechenschaft zu ziehen. Das würde ein Signal an die deutschen Bürger und die deutsche Wirtschaft senden: Betrug ist hierzulande strafbar und wird auch geahndet. Aktuell scheint jedoch eher vermittelt zu werden, dass sich die Mächtigen in Deutschland einmal mehr vor ihrer Verantwortung drücken können.

Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal

Immerhin: Auf die zivilrechtliche Aufarbeitung des Abgasskandals hat das Winterkorn-Verfahren nur bedingt Einfluss. Obwohl Volkswagen im Rahmen des Abgasskandals komplett auf Intransparenz setzte, ist mittlerweile klar, dass vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter Anspruch auf Schadensersatz haben.

Diesbezüglich erwirkte die Kanzlei Goldenstein im Mai 2020 ein Grundsatzurteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Die obersten Zivilrichter Deutschlands stellten damals fest, dass sich VW im Zuge der Abgas-Manipulationen sittenwidrig verhielt. Da die geschädigten Kunden ihre Abgasskandal-Autos nicht gekauft hätten, wenn sie von dem Betrug gewusst hätten, können sie Entschädigungsansprüche geltend machen.

So können betroffene PKW-Besitzer ihr manipuliertes Fahrzeug an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben, um eine Entschädigung zu erhalten, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ bestehen zudem die Möglichkeiten, das Abgasskandal-Auto zu behalten und sich einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu sichern oder sogar den Anspruch auf ein neues Ersatzfahrzeug durchzusetzen. Betroffene PKW-Besitzer sollten sich in jedem Fall über ihre rechtlichen Möglichkeiten in der Sache informieren.

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