30.
Jul 2020

Der Dieselskandal vor dem BGH: Das wird heute entschieden

Der Bundesgerichtshof (BGH) wird heute mehrere rechtliche Detailfragen im Rahmen des Dieselskandals klären. “Die Urteile bringen Licht ins Dunkle. Es ist wichtig, dass der Dieselskandal fünf Jahre nach dem Bekanntwerden endlich vollständig aufgeklärt wird”, kommentiert der Rechtsanwalt Claus Goldenstein. Er ist Inhaber der Kanzlei Goldenstein, die im Dieselskandal mehr als 21.000 Mandanten vertritt und unter anderem für das erste BGH-Urteil in der Sache verantwortlich ist. Goldenstein antizipiert die heutigen Entscheidungen und erklärt, was betroffene Verbraucher nun wissen müssen:  

 

Keine Entschädigung bei hoher Laufleistung 

“Vor knapp zwei Monaten haben wir von der Kanzlei Goldenstein vor dem BGH ein Grundsatzurteil erstritten und im Dieselskandal für Rechtssicherheit gesorgt: Betroffene Fahrzeughalter können ihre manipulierten PKW an VW zurückgeben und erhalten dafür eine Entschädigung in Höhe des ursprünglichen Kaufpreises sowie Verzugszinsen. Lediglich die bereits zurückgelegte Strecke müssen sich Verbraucher in Form einer sogenannten Nutzungsentschädigung negativ anrechnen lassen. Diese Rechtsauffassung werden die Karlsruher Richter heute grundsätzlich bestätigen. Darüber hinaus werden aber auch weitere Details geklärt. 

 

So wird der BGH heute entscheiden, dass kein Entschädigungsanspruch für Fahrzeuge mit einer besonders hohen Laufleistung besteht. Bereits in der vergangenen Woche deuteten die verantwortlichen Richter an, dass VW-Halter aufgrund der Nutzungsentschädigung keinen Schadensersatz-Anspruch haben, wenn ihr PKW 250.000 Kilometern oder mehr zurückgelegt hat. Diese Entscheidung übt Druck auf Verbraucher aus, die ihre Rechte bislang noch nicht durchsetzen: Mit jedem gefahrenen Kilometer verlieren die PKW nämlich an Wert.” 

 

So berechnet sich die Nutzungsentschädigung im Dieselskandal 

Die Höhe der sogenannten Nutzungsentschädigung berechnet sich aus dem Anteil der bisher zurückgelegten Kilometer an der maximalen Laufleistung jedes Fahrzeuges. Letztere wird in der Regel mit etwa 250.000 bis 350.000 Kilometern beziffert. Hat ein Auto also 125.000 Kilometer zurückgelegt und es wird eine maximale Laufleistung von 250.000 Kilometern angenommen, wird eine Nutzungsentschädigung von 50 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von der Entschädigungssumme abgezogen. Der Kläger bekäme folglich nur die Hälfte des Kaufpreises. Wer hingegen bereits 250.000 Kilometer zurückgelegt hat, hat in diesem Fall keinen Anspruch mehr auf eine Entschädigung. 

 

Keine Entschädigung bei Autokauf nach ad hoc-Meldung aus dem Jahr 2015? 

Darüber werden die Karlsruher Richter heute voraussichtlich beschließen, dass die Halter von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen keinen Schadensersatz durchsetzen können, wenn sie ihren PKW erst nach dem Bekanntwerden des Dieselskandals Ende 2015 gekauft haben. Damals hatte VW die Öffentlichkeit in Form einer ad hoc-Meldung über die Fahrzeugmanipulation informiert. 

“Betroffene PKW-Besitzer können sich dennoch Hoffnungen auf Entschädigungen machen”, erklärt Claus Goldenstein und ergänzt: “Ende April hat die Generalanwaltschaft des Europäischen Gerichtshof in einem Schlussantrag verkündet, dass sämtliche Fahrzeugfunktionen als illegale Abschalteinrichtungen gelten, wenn diese im Realbetrieb zu einem höheren Abgasausstoß führen als auf dem Prüfstand. 

Zahlreiche Tests haben ergeben, dass die manipulierten VW-Dieselfahrzeuge nach der Durchführung des verpflichtenden Software-Updates nur bei bestimmten Temperaturen tatsächlich sauber sind. Auch im Rahmen des Software-Updates von VW wurde also eine Abschalteinrichtung integriert. Dieses sogenannte Thermofenster unterscheidet sich jedoch von der ursprünglich verwendeten Manipulationssoftware und gilt bislang offiziell als nicht illegal. 

Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Richter des Europäischen Gerichtshof der Rechtsauffassung der Generalanwaltschaft in ihrem baldigen Urteil folgen werden. Dieses wird noch in diesem Jahr erwartet. Dann würde auch die neu verwendete Abschalteinrichtung von VW als illegal erklärt werden. Betroffene Halter von VW-Fahrzeugen könnten ihre Rechte demnach durchsetzen, obwohl sie ihren PKW erst im Jahr 2016 oder sogar später gekauft haben. Mehrere Millionen VW-Fahrzeuge mit dem Software-Update müssten dann noch einmal zurückgerufen werden. Zudem würde der Dieselskandal auch nahezu alle anderen Hersteller von Dieselfahrzeugen erreichen”, prognostiziert Claus Goldenstein. 

 

BGH spricht Dieselhaltern Verzugszinsen zu – aber keine Deliktzinsen 

Zudem werden sich der BGH-Richter heute auch zum Thema Deliktzinsen äußern. Diese Zinsen in Höhe von 4 Prozent auf den Auto-Kaufpreis ab dem Kaufdatum können Klägern im Fall von Betrug oder sittenwidriger Handlung juristisch zugesprochen werden. Von Verzugszinsen unterscheiden sich Deliktzinsen, da Erstere erst ab dem Zeitpunkt des Verzuges gelten, dafür aber 5 Prozent über dem Basissatz betragen. Im Rahmen des ersten Dieselskandal-Verfahrens vor dem BGH sprachen die obersten Richter Deutschlands betroffenen Klägern bereits Verzugszinsen zu. 

“Es spricht nur wenig dafür, dass die Karlsruher Richter den Haltern von manipulierten Dieselfahrzeugen Deliktzinsen zusprechen werden. Dies deuteten die obersten Richter des Landes bereits mehrfach an. Deliktzinsen werden üblicherweise nur dann fällig, wenn ein Gegenstand aufgrund eines Betruges oder einer sittenwidriger Handlung nicht genutzt werden konnte, obwohl dafür bezahlt wurde. Das ist im Dieselskandal nur bedingt der Fall”, erklärt Claus Goldenstein. 

 

Verjährung im Dieselskandal ist nicht eingetreten 

„VW verweist seit unserem BGH-Urteil im Mai immer wieder darauf, dass die geltende Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei und betroffene Halter ihre Rechte nicht mehr durchsetzen können. Das ist jedoch falsch. Im Fall von Betrug oder sittenwidriger Schädigung gilt in Deutschland grundsätzlich eine Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende ab Kenntnis sämtlicher Umstände der Täuschung”, erklärt Goldenstein. Er führt fort: 

VW argumentiert nun, dass betroffene Verbraucher spätestens 2016 vollständig über den Betrug Bescheid wussten. Damals informierte der Konzern die Halter von manipulierten VW-Dieselfahrzeugen schriftlich über die Eingriffe. Folglich wären die Rechte von betroffenen Haltern am 1. Januar 2020 verjährt. 

Tatsächlich ist der Dieselskandal selbst bis heute nicht vollständig aufgeklärt und VW hat bis zuletzt bestritten, dass das Unternehmen eine rechtlich unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass ein Verbraucher als technischer und rechtlicher Laie im Jahr 2016 mehr gewusst haben kann, als Volkswagen heute zu wissen vorgibt.  

Zudem setzt die Kenntnis aller Umstände auch voraus, dass es eine gesicherte Rechtslage gibt. Diese gesicherte Rechtslage ist jedoch erst durch unser BGH-Urteil und damit im Jahr 2020 eingetreten. Zuvor waren die Land- und Oberlandesgerichte mehr als uneins darüber, ob Käufern ein Anspruch zusteht. 

Selbst zahlreiche Rechtsschutzversicherer gehen davon aus, dass die Verbraucherrechte im VW-Dieselskandal noch nicht verjährt sind. Weiterhin decken diese daher die Kosten für aktuell eingereichte Klagen. Das ist insofern spannend, da sich einige Versicherer im Jahr 2016 teilweise noch weigerten, die Verfahrenskosten für Dieselskandal-Prozesse zu tragen. Es ist davon auszugehen, dass sich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe spätestens im kommenden Jahr mit dem Thema Verjährung auseinandersetzen wird. Bislang wurde jedoch noch keine Verhandlung in der Sache terminiert.” 

 

Das sind die Verbraucherrechte im Abgasskandal 

Vom Abgasskandal betroffene Fahrzeughalter können die Auszahlung des vollständigen Kaufpreises ihres Fahrzeuges bei dem jeweiligen Hersteller geltend machen und ihr Auto dafür zurückgeben. Alternativ gibt es auch die Möglichkeit, das Fahrzeug weiter zu nutzen und einen Teil des Kaufpreises als Entschädigung zu erstreiten.  

 

So setzen sich die Entschädigung zusammen 

Die jeweilige Entschädigungssumme im Dieselskandal setzt sich aus dem ursprünglichen Kaufpreis des Fahrzeuges abzüglich einer Nutzungsentschädigung zusammen. Letztere ist abhängig von der individuellen Laufleistung des jeweiligen Fahrzeuges. Darüber hinaus erhalten die betroffenen Kläger Verzugszinsen, die die Entschädigungssumme erhöhen. Auf www.ra-goldenstein.de können Autobesitzer ihren möglichen Anspruch kostenfrei prüfen lassen. 

Prüfen Sie jetzt Ihren Anspruch: