27.
Jun 2022

EuGH verkündet im Juli Entscheidung zu VW Software-Update

Nachdem der VW-Abgasskandal bekannt wurde, musste der Wolfsburger Konzern allein in Europa rund acht Millionen manipulierte Fahrzeuge zurückrufen. Die betroffenen PKW wurden in die Werkstatt gebracht, um dort ein Software-Update zur Normalisierung der Abgasreinigung zu erhalten. Allerdings steht auch dieses Software-Update unter Manipulationsverdacht. Am 14. Juli 2022 werden die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun verkünden, ob sie das Update für zulässig halten oder nicht. Die Entscheidung könnte folgenreich für die gesamte Automobilindustrie und betroffene PKW-Besitzer sein.

VW Software-Update enthält sogenanntes Thermofenster

Das VW Software-Update wurde seit 2016 auf mehrere Millionen manipulierte Fahrzeuge aufgespielt und überschrieb die vorhandene Manipulationssoftware. Dadurch waren die betroffenen PKW in der Lage, die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltregularien einzuhalten –allerdings nur bei bestimmten Außentemperaturen.

Das Software-Update enthält nämlich ein sogenanntes Thermofenster. Das bedeutet, dass die betroffenen Fahrzeuge nur bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad wirklich sauber sind. Bei Temperaturen, die darunter bzw. darüber liegen, stoßen die upgedateten Autos hingegen unerlaubt viele Stickoxide aus. VW rechtfertigt den Einsatz dieses Thermofensters mit dem Motorenschutz. Tatsächlich erlaubt das EU-Recht Abschalteinrichtungen nämlich, wenn diese vor besonderen Gefahrensituationen oder einem unmittelbaren Motorschaden schützen.

Mit diesem Fall befassen sich die EuGH-Richter

Ob das VW-Software-Update tatsächlich zulässig ist, müssen die Europas oberste Zivilrichter nun klären. Der EuGH befasst sich mit der Klage eines Österreichers, der im Dezember 2013 ein VW-Fahrzeug mit dem mittlerweile nachweislich manipulierten Diesel-Motor des Typs EA189 erworben hat. Im Jahr 2017 wurde das Fahrzeug wegen des Abgasskandals zurückgerufen. Daraufhin wurde dem Auto das besagte Software-Update, das auch vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigt wurde, aufgespielt.

Etwas später ging der Mann juristisch gegen VW vor und forderte den Konzern dazu auf, das Fahrzeug zurückzunehmen, um im Gegenzug Schadensersatz zu erhalten. Während der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Mai 2020 bestätigt hat, dass die Halter von manipulierten VW-Autos Anspruch auf eine entsprechende Rückabwicklung ihres Autos haben, steht ein solches Grundsatzurteil in Österreich noch aus.

Tatsächlich zweifelten die für die Klage zuständigen Land- und Oberlandesgerichte die bestehenden Schadensersatzansprüche des Österreichers an, weil die Abgasreinigung durch das Update normalisiert wurde. Zudem sei das Thermofenster erlaubt, weil es erforderlich sei, um den Motor vor Beschädigung zu schützen. Gegen diese Entscheidung ging der Kläger einmal mehr vor, weil er die vorhandene Software durchaus für unzulässig hält. Der nun zuständige Oberste Gerichtshof in Österreich hat sich deshalb an den EuGH gewandt, damit diese Thematik geklärt wird.

EuGH-Generalanwaltschaft: Thermofenster sind illegal

Bereits im September 2021 hat der zuständige EuGH-Generalanwalt seinen Schlussantrag in der Sache verkündet und sich klar auf Seiten der Verbraucher positioniert. Der Generalanwalt verwies in seinem Schlussantrag darauf, dass die Richter am Europäischen Gerichtshof bereits im Dezember 2020 entschieden haben, dass auch ein Thermofenster laut EU-Recht nicht zulässig seien.

Die Ausnahmeregelung des Motorschutzes gilt demnach schon deshalb nicht, weil Thermofenster höchstens vor einem Verschleiß des Motors schützen. Tatsächlich rechtfertigen aber nur unmittelbare Motorschäden und sofort auftretende Gefahrensituationen die Verwendung von Abschalteinrichtungen und das auch nur in Ausnahmesituationen. Das Thermofenster kommt in den meisten Ländern Europas hingegen fast dauerhaft zum Einsatz, da die ganzjährige Durchschnittstemperatur in fast allen europäischen Ländern unter 15 Grad liegt.

Die Folgen eines verbraucherfreundlichen EuGH-Urteils

Da die EuGH-Richter in ihren Urteilen in der Regel der Einschätzung der Generalanwaltschaft folgen, ist von einem verbraucherfreundlichen Urteil auszugehen. Die Folgen dieses Urteils würden jedoch nicht nur die Klage des Österreichers betreffen, sondern sämtliche Verfahren in ganz Europa.

Allein in Deutschland müsste Volkswagen anschließend wohl noch einmal mehr als 2,4 Millionen Fahrzeuge zurückrufen, da die upgedateten Fahrzeuge die vorgeschriebenen Umweltregularien offensichtlich nicht erfüllen. Sollte es VW es nicht schaffen, die Abgasreinigung der betroffenen PKW tatsächlich zu normalisieren, droht im schlimmsten Fall sogar die vollständige Stilllegung dieser Autos. Das Urteil könnte aber auch auf andere Hersteller übertragen werden, denn auch Hersteller wie Mercedes-Benz oder Volvo haben entsprechende Thermofenster eingesetzt.

Auch der deutsche Bundesgerichtshof müsste seine bisherige Rechtsauffassung in der Sache noch einmal überdenken. Die BGH-Richter haben sich nämlich schon mehrfach mit verwendeten Thermofenstern von Volkswagen und Mercedes-Benz befasst und sich diesbezüglich stets auf Seiten der Automobilhersteller positioniert. Diese Entscheidungen wären im Anschluss an ein verbraucherfreundliches EuGH-Urteil allerdings obsolet. Sämtliche Halter von upgedateten VW-Fahrzeugen könnten demnach wohl Schadensersatzansprüche in der Sache durchsetzen.

Abgasskandal: Bestehende Rechtsansprüche

Der Abgasskandal hat nicht zuletzt zu hohen Wertverlusten und unvorhersehbaren Folgeschäden – auch aufgrund von durchgeführten Software-Updates – der betroffenen Fahrzeuge geführt. Unter anderem deshalb können die Besitzer der manipulierten Automobile Schadensersatzansprüche in der Sache geltend machen.

Betroffene Verbraucher haben grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es auch möglich, das jeweilige Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teilbetrages des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision. Die Kanzlei Goldenstein berät betroffene Fahrzeughalter kostenfrei bezüglich ihrer rechtlichen Möglichkeiten in der Sache.

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