12.
Okt 2021

Welche Folgen hat der EuGH-Schlussantrag für den Abgasskandal?

Ende September verkündete die EuGH-Generalanwaltschaft im Rahmen eines Schlussantrages, dass sogenannte Thermofenster in Diesel-Fahrzeugen illegal seien. Der Schlussantrag wurde nur wenige Tage, nachdem der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) den Einbau von Thermofenstern als nicht-sittenwidrig bezeichnete, veröffentlicht. Welche Auswirkungen wird dieser Schlussantrag nun haben?

EuGH-Verhandlung hat Signalwirkung

Generell gilt: Ein solcher Schlussantrag der EuGH-Generalanwaltschaft hat keine direkten rechtlichen Auswirkungen. Allerdings ist das Statement dennoch wichtig, denn die EuGH-Richter folgen der Rechtsauffassung der Generalanwaltschaft in fast jedem Fall.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das bald erwartete Urteil in der Sache also mit hoher Wahrscheinlichkeit den gleichen Inhalt haben wird wie der Schlussantrag und dieses Urteil wird für sämtliche Gerichte in der Europäischen Union eine Signalwirkung haben. Auch deutsche Gerichte werden sich in ähnlichen Verfahren zukünftig an dieser Entscheidung orientieren.

Darum geht es in den EuGH-Verfahren

Konkret hat sich der EuGH-Generalanwalt, Athanasios Rantos, mit vier Verfahren aus Österreich befasst. Es geht um die Frage, ob das VW Software-Update, das die Abgasreinigung von nachweislich manipulierten Fahrzeugen mit dem Diesel-Motor EA189 normalisieren sollte, eine illegale Abschalteinrichtung enthält.

Abgastests haben nämlich ergeben, dass upgedatete Fahrzeuge die vorgeschriebenen EU-Umweltregularien nur bei bestimmten Temperaturen einhalten. Vor allem bei unter 15 Grad Celsius bzw. mehr als 33 Grad Celsius stoßen die PKW demnach auch nach dem Update deutlich mehr Stickoxide in die Luft, als es eigentlich erlaubt wäre. Solche temperaturgesteuerten Abschalteinrichtungen – genannt Thermofenster – haben auch andere Hersteller verwendet.

Deshalb setzten Autobauer auf Thermofenster

Bereits im Dezember 2020 entschieden die EuGH-Richter in einem anderen Verfahren, dass Abschalteinrichtungen illegal seien, wenn sich die Abgasreinigung eines Fahrzeugs dadurch zwischen Prüfstand und Testbetrieb unterscheidet. Das ist auch bei Thermofenstern der Fall, denn bei herkömmlichen Abgastests für die Typengenehmigung herrschten in der Regel Labortemperaturen in Höhe von etwa 25 Grad.

Diesen Sachverhalt machte sich die Automobilindustrie zu Nutze, indem sie Software-Lösungen entwickelten, die die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen herunterfuhren. Das Thermofenster war geboren und mit ihm eine Lösung, um die strengeren Zulassungsbedingungen zumindest auf dem Prüfstand zu erfüllen, ohne teure Systeme zur Abgasreinigung entwickeln und verbauen zu müssen.

Thermofenster als Schutz des Motors?

Seitdem diese Form der Abschalteinrichtung aufgedeckt wurde, argumentieren die verantwortlichen Automobilhersteller, dass Thermofenster dem Schutz des Motors dienen. Tatsächlich sind Abschalteinrichtungen nämlich dann zulässig, wenn sie unmittelbare Schäden verhindern.

Allerdings hatte Generalanwalt Rantos diesbezüglich Einwände: Das Argument des Motorenschutz zählt nämlich nur, wenn der Motor ohne die jeweilige Abschalteinrichtung unmittelbare Schäden erleiden würde. Das ist bei Thermofenstern jedoch nicht der Fall. Diese schützen nämlich höchstens vor dem Verschleiß und der herkömmlichen Abnutzung des Motors.

Millionen Rückrufe in Deutschland drohen

Für deutsche Autobauer hätte es enorme Konsequenzen, wenn die EuGH-Richter der Rechtsauffassung der Generalanwaltschaft folgen. Noch immer sind nämlich allein in Deutschland mehrere Millionen Fahrzeuge mit eingebauten Thermofenstern unterwegs. Führende Automobilhersteller wie Daimler, Fiat, Volvo und auch VW haben entsprechende Abschalteinrichtungen verbaut. All diese Fahrzeuge müssten nach einem Urteil zurückgerufen werden.

Den betroffenen PKW-Haltern droht dann im schlimmsten Fall die Stilllegung. Faktisch hätten die manipulierten Autos nämlich nie die Straßenzulassung erhalten dürfen und solange sie die vorgeschriebenen Abgaswerte nicht einhalten, dürfen sie auf deutschen Straßen nicht abgestellt oder genutzt werden.

Ferner müsste auch der Zulassungsprozess genauer unter die Lupe genommen werden. Sollte dabei beispielsweise herauskommen, dass Volkswagen die Verwendung des Thermofensters während des Genehmigungsprozesses ihres Software-Updates offengelegt hat, müsste sich das hierfür zuständige Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einige unangenehme Fragen gefallen lassen. In diesem Fall könnten betroffenen PKW-Besitzer sogar Staatshaftungsansprüche gegenüber dem Bundesverkehrsministerium, das für das KBA verantwortlich ist, geltend machen.

Betroffene Verbraucher sollten sich rechtlich beraten lassen

Die Besitzer von Diesel-Fahrzeugen sollten die Lage insofern aufmerksam beobachten und sich rechtzeitig bezüglich ihrer rechtlichen Möglichkeiten in der Sache informieren. Betroffene Verbraucher haben nämlich grundsätzlich die Möglichkeit, den Fahrzeughersteller juristisch zur Rücknahme des manipulierten Autos zu bringen, um im Gegenzug eine Entschädigung zu erhalten, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert.

Alternativ besteht zudem die Option, das eigene Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe von etwa 20 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises zu erhalten. Die Kanzlei Goldenstein steht entsprechenden PKW-Besitzern diesbezüglich für eine kostenfreie und unverbindliche Erstberatung zur Verfügung.

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