10.
Aug 2022

Der Europäische Gerichtshof setzt die Automobilindustrie unter Druck

Vermutlich schon im September wird am Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Urteil verkündet, das quasi die gesamte Automobilindustrie betrifft. Europas oberste Zivilrichter befassen sich nämlich aktuell mit der Frage, ob im Zusammenhang mit dem Abgasskandal auch eine fahrlässige Schädigung ausreicht, um Schadensersatzansprüche von Haltern manipulierter Autos zu rechtfertigen. Die Entscheidung könnte die Rechtsdurchsetzung von betroffenen Verbrauchern massiv vereinfachen.

EuGH-Generalanwaltschaft positionierte sich bereits verbraucherfreundlich

In dem Verfahren geht es um eine Klage gegen Mercedes-Benz. Das Landgericht Ravensburg hat sich an den EuGH gewandt, um unter anderem herauszufinden, ob auch eine fahrlässige Schädigung ausreicht, um wegen des Abgasskandals Schadensersatzansprüche zu rechtfertigen. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese Frage in der Vergangenheit noch verneint. Doch am EuGH zeichnet sich eine andere Entscheidung ab und diese hätte auch Einfluss auf die zukünftige Rechtsprechung in Deutschland.

Anfang Juni gab die EuGH-Generalanwaltschaft im Rahmen eines Schlussantrages bekannt, dass es ihrer Meinung nach keine Rolle spielt, ob der Manipulation eines Diesel-Autos ein nachweislich sittenwidriges oder nur ein fahrlässig schuldhaftes Verhalten zu Grunde liegt. Wenn ein Auto die vorgeschriebenen EU-Umweltnormen nicht erfüllt, entsteht den betroffenen PKW-Käufern demnach in jedem Fall ein Schaden, der die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen rechtfertigt.

Nun müssen die EuGH-Richter entscheiden, ob sie sich der Rechtsauffassung der Generalanwaltschaft anschließen. Da die obersten Zivilrichter der EU nur selten anderer Meinung sind als ihre Kollegen von der Generalanwaltschaft, gehen Rechtsexperten in diesem Fall von einem verbraucherfreundlichen Urteil aus.

Grundsatzentscheidung betrifft nicht nur Mercedes

Obwohl es in dem Verfahren um Mercedes-Benz geht, hat die Entscheidung Einfluss auf Verfahren gegen zahlreiche Autobauer. Auch Fahrzeughersteller wie Volkswagen, Opel, Fiat oder Volvo haben nämlich zum Beispiel sogenannte Thermofenster in einigen ihrer Diesel-Modelle verbaut. Das sind Abschalteinrichtungen, die bei bestimmten Außentemperaturen für eine geringere Abgasreinigung und damit einen unerlaubt hohen Schadstoffausstoß sorgen.

Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat schon zahlreiche Fahrzeuge wegen des Einbaus entsprechender Abschalteinrichtungen zurückgerufen und der EuGH hat Thermofenster in der Vergangenheit als illegal eingestuft. Dennoch zweifelten die Richter am Bundesgerichthof Schadensersatzansprüche von betroffenen Fahrzeughaltern in der Vergangenheit an, weil es sich bei der Verwendung von Thermofenstern ihrer Meinung nach nur um eine fahrlässige Schädigung handelt. Das sich nun anbahnende EuGH-Urteil würde jedoch auch den BGH dazu zwingen, die bisherige Rechtsprechung in der Sache noch einmal zu überdenken.

BGH positioniert sich im November zu dem EuGH-Urteil

Am Bundesgerichtshof bereiten sich die Richter bereits auf die anstehende Entscheidung des EuGH vor. Bis zum November 2022 wurde keine Verhandlung im Zusammenhang mit dem Abgasskandal terminiert. Am 21. November werden sich die BGH-Richter dann allerdings wieder mit einem Diesel-Verfahren befassen und sich auch direkt zu dem dann verkündeten EuGH-Urteil äußern. Das hat der BGH bereits bekanntgegeben.

Sollte der EuGH sich tatsächlich verbraucherfreundlich positionieren, bliebe auch dem BGH keine andere Möglichkeit, als die bisherige Rechtsprechung in der Sache anzupassen. Folglich würden die Hürden für erfolgreiche Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal deutlich gesenkt werden. In der Folge droht der gesamten Automobilindustrie eine Klagewelle.

Diese Rechte haben betroffene Verbraucher wegen des Abgasskandals

Der Abgasskandal hat nicht zuletzt zu hohen Wertverlusten und unvorhersehbaren Folgeschäden von illegal manipulierten Fahrzeugen geführt. Unter anderem deshalb können betroffene Verbraucher Schadensersatzansprüche in der Sache geltend machen.

Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen haben grundsätzlich die Möglichkeit, ihr Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision.

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