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Großer Mercedes-Rückruf: Das müssen betroffene Fahrzeughalter wissen
Kurz vor Jahresende holt der Abgasskandal Mercedes-Benz einmal mehr ein. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat allein in Deutschland den Rückruf von mehr als 100.000 Diesel-Fahrzeugen angeordnet. Der Rechtsanwalt Claus Goldenstein beantwortet nachfolgend, die wichtigsten Fragen zum Thema. Goldensteins gleichnamige Verbraucherkanzlei vertritt bereits mehr als 65.000 Mandanten im Abgasskandal und ist in der Sache unter anderem für das erste Grundsatzurteil am Bundesgerichtshof verantwortlich.
Wie wurden die betroffenen Fahrzeuge manipuliert?
Die betroffenen Fahrzeuge wurden mit Hilfe eines sogenannten Thermofensters manipuliert. Dadurch halten sie die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte nur bei bestimmten Außentemperaturen ein. Da während amtlicher Abgastests normalerweise ähnliche Temperaturen herrschen, fielen die manipulierten Diesel-PKW während des Zulassungsprozesses nicht mit zu hohen Schadstoffwerten auf und erhielten die Typgenehmigung. Im Normalbetrieb stoßen die betroffenen Fahrzeuge allerdings insbesondere bei niedrigen Temperaturen ein Vielfaches der zulässigen Schadstoffwerte aus. Dass diese Form der Fahrzeug-Manipulation illegal ist, haben die Richter am Europäischen Gerichtshof seit 2020 bereits mehrfach bestätigt.
Welche Fahrzeuge sind von dem Rückruf betroffen?
Allein in Deutschland sind über 100.000 Mercedes-Benz-Fahrzeuge, die unter den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6b zugelassen wurden, von dem Rückruf betroffen. Seit 2018 wurden im Prinzip alle Diesel-Varianten von Mercedes, die unter diesen Abgasnormen zugelassen wurden, zurückgerufen. Folglich betrifft der aktuelle Rückruf wohl nahezu alle PKW-Modelle dieser Art, die bislang noch nicht zurückgerufen wurden.
Wie erfahren Mercedes-Besitzer, ob ihr Fahrzeug von dem Rückruf betroffen ist?
Mercedes-Benz kontaktiert die betroffenen Fahrzeughalter schriftlich wegen des Rückrufs. Wer ein solches Schreiben erhält, besitzt definitiv ein illegal manipuliertes Fahrzeug. Über die Website von Mercedes-Benz können Fahrzeughalter zudem jederzeit mit ihrer Fahrgestellnummer prüfen, ob das eigene Auto von dem aktuellen Rückruf betroffen ist.
Wie sollten betroffene PKW-Halter auf den Rückruf reagieren?
Mercedes-Benz fordert die betroffenen Fahrzeughalter im Rahmen des Rückrufs dazu auf, das eigene Fahrzeug für ein Software-Update in eine Vertragswerkstatt von Mercedes-Benz zu bringen. Dort soll die vorhandene Manipulationssoftware gelöscht und durch eine neue Software überschrieben werden.
Ein solches Software-Update ist jedoch kein harmloser Eingriff. Das liegt unter anderem daran, dass die Abgasfilter der betroffenen Fahrzeuge nach den Updates deutlich mehr Schadstoffe filtern müssen und deshalb verstopfen können. Das kann mittelfristig sogar zu schwerwiegenden Motorschäden führen. Aber auch Leistungseinbrüche, unangenehme Gerüche und komische Geräusche zählen zu den regelmäßigen Folgeschäden, die nach der Installation eines solchen Update auftreten.
Das Update einfach zu verweigern, ist allerdings auch keine Lösung, denn in dem Fall kann das eigene Fahrzeug im schlimmsten Fall sogar stillgelegt werden. Dann dürfte es nicht länger auf europäischen Straßen geparkt oder gefahren werden. Schließlich ist das jeweilige Fahrzeug mit der vorhandenen Manipulationssoftware eigentlich nicht für den Straßenverkehr geeignet.
Bis es zu einer solchen Stilllegung kommt, vergehen allerdings mindestens 18 Monate. Insofern empfehlen wir von Goldenstein Rechtsanwälte betroffenen Fahrzeughaltern, nichts zu überstürzen. Stattdessen ist es empfehlenswert, sich nach dem Erhalt des Rückrufbescheids erst einmal rechtlich beraten zu lassen und zu prüfen, welche Handlungsschritte im Einzelfall sinnvoll sind.
Bestehen Schadensersatzansprüche?
Die betroffenen Fahrzeughalter hätten ihre Autos vermutlich nicht oder zumindest nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn der Abgasskandal zum Kaufzeitpunkt bereits bekannt gewesen wäre. Wegen des Abgasskandals drohen nämlich nicht nur Folgeschäden, sondern auch Wertverluste. Deshalb besteht Anspruch auf Schadensersatz. Konkret können betroffene Fahrzeughalter bis zu 15 Prozent des ursprünglich gezahlten Kaufpreises zurückbekommen. Das hat der Bundesgerichtshof im Juni dieses Jahres entschieden. Unter Umständen ist es aber auch möglich, das jeweilige Fahrzeug an Mercedes-Benz zurückzugeben. In dem Fall besteht Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe des ursprünglichen Kaufpreises. Allerdings wird die Höhe des fälligen Schadensersatzes je nach Laufleistung des betroffenen Fahrzeugs um eine sogenannte Nutzungsentschädigung reduziert.
Welches finanzielle Risiko geht mit einer Schadensersatzklage im Abgasskandal einher?
Rechtsschutzversicherungen übernehmen – bis auf eine möglicherweise vereinbarte Selbstbeteiligung – die vollständigen Anwalts- und Verfahrenskosten ihrer Kunden. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, hat die Möglichkeit, die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers in Anspruch zu nehmen. Prozesskostenfinanzierer übernehmen das Kostenrisiko einer Klage und beziehen dafür lediglich im Erfolgsfall eine Provision. Dadurch sind Schadensersatzklagen im Abgasskandal komplett risikofrei möglich.