26.
Jul 2023

Möglicher Haftungsausschluss: Ergibt die Anschaffung eines gebrauchten Diesels noch Sinn?

Wer einen gebrauchten Diesel aus den Baujahren 2000 bis 2017 bei einem Volkswagen-Partner erwerben möchte, muss vor der Fahrzeugübergabe neuerdings eine Kundeninformation unterzeichnen. Dadurch möchte Volkswagen verhindern, dass das Wolfsburger Unternehmen oder dessen Tochterfirmen wegen des Dieselskandals von den jeweiligen PKW-Käufern verklagt werden können. Doch ergibt die Anschaffung eines gebrauchten Diesels überhaupt noch Sinn, wenn vor dem Kauf ein solcher Haftungsausschluss erfolgen muss? Schließlich könnten die betroffenen Fahrzeuge im schlimmsten Fall sogar komplett stillgelegt werden.

VW informiert in Kundeninformation über vorhandene Abschalteinrichtungen

In der Kundeninformation informiert Volkswagen die interessierten PKW-Käufer darüber, dass die Fahrzeuge ihrer Begierde über eine oder mehrere Abschalteinrichtungen verfügen. Dadurch wird die Abgasreinigung der gebrauchten Diesel-PKW in bestimmten Situationen reduziert oder sogar ganz heruntergefahren.

Zwar gibt VW in dem Schreiben an, dass sie überzeugt seien, “dass die in dem Sie interessierenden Fahrzeug enthaltenen Funktionen dazu dienen, plötzlich auftretende, unvorhersehbare Schäden am Motor des Fahrzeugs zu vermeiden und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten” und somit legal seien. Doch wenn sich VW so sicher wäre, dass die vorhandenen Abschalteinrichtungen ausschließlich dem Motorschutz dienten, hätten der Konzern eine solche Kundeninformation wohl gar nicht erst in Umlauf gebracht. Viele interessierte PKW-Käufer dürften durch dieses Schreiben nämlich – zu Recht – abgeschreckt werden.

Konzern warnt vor einer möglichen PKW-Stilllegung und Wertverlusten

Obwohl VW die eigenen Abschalteinrichtungen in der Kundeninformation zunächst als zulässig beschreibt, führt das Unternehmen später auch aus, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass künftig Gerichte oder Behörden die konkrete Ausgestaltung einzelner Abschalteinrichtungen als nicht zulässig bewerten könnten. Dementsprechend könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass Rückrufe des Herstellers erfolgen oder Behörden Rückrufe oder andere Maßnahmen, auch gegenüber Fahrzeughaltern, anordnen könnten.

Dies könne bis hin zu einem gegen Fahrzeughalter gerichteten Entzug der Fahrzeugzulassung oder einer Nutzungsuntersagung reichen. Mögliche Auswirkungen auf den Wiederverkaufswert der Fahrzeuge können in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen werden. VW sagt also, dass die betroffenen Fahrzeuge im schlimmsten Fall aufgrund der vorhandenen Manipulationssoftware stark an Wert verlieren oder sogar von den Behörden stillgelegt werden könnten. Letzteres würde bedeuten, dass die Diesel-PKW auf europäischen Straßen nicht länger gefahren oder geparkt werden dürften.

Gericht bewertet Abschalteinrichtungen von VW als illegal

Dass VW seinen Kunden dieses Schreiben vor der Fahrzeugübergabe vorlegt, liegt daran, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen stark eingeschränkt hat. Laut der EuGH-Richter darf die Abgasreinigung mit Hilfe solcher Software-Lösungen nur auf ein unerlaubt niedriges Niveau reduziert werden, sofern diese ausschließlich in absoluten Ausnahmesituationen und nur zum Schutz des jeweiligen Fahrzeugs vor Gefahrensituationen oder unmittelbaren Schäden zum Einsatz kommen.

Dass vorhandene Abschalteinrichtungen von VW entsprechend dieser Definition illegal sind, stellte das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht im Februar 2023 fest. Zwar ist VW gegen diese Entscheidung in Berufung gegangen, weshalb das Urteil aktuell noch nicht rechtskräftig ist. Doch Prozessbeobachter gehen davon aus, dass Volkswagen das Verfahren auf diese Weise lediglich in die Länge ziehen kann.

Sobald die Abschalteinrichtungen von VW auch in den nächsten Instanzen als illegal bewertet werden, wird der Wolfsburger Konzern die betroffenen Fahrzeuge kostspielig nachrüsten müssen. Ansonsten würden die manipulierten Diesel-PKW tatsächlich stillgelegt werden, wie es VW in der Kundeninformation beschreibt.

VW-Kundeninformation sollte nicht unterzeichnet werden

Wer eine solche Kundeninformation vorgelegt bekommt, sollte den Fahrzeugkauf daher nur abschließen, wenn im Gegenzug eine extreme Preisreduzierung des jeweiligen Gebrauchtwagens erfolgt. Da dies allerdings unwahrscheinlich ist, ergibt ein Fahrzeugkauf eines gebrauchten VW-Diesels aufgrund der Verpflichtung, diese Kundeninformation vor der Übergabe zu unterzeichnen, aktuell keinen Sinn. Stattdessen sollte in dem Fall lieber ein Fahrzeug, dass nicht wegen des Abgasskandals stillgelegt werden könnte, gekauft werden.

Im Falle einer Stilllegung würden die manipulierten Fahrzeuge nämlich innerhalb der Europäischen Union faktisch wertlos werden. Aufgrund der zuvor unterschriebenen Kundeninformation könnten betroffene Fahrzeughalter in dem Fall allerdings nicht einmal Schadensersatzansprüche durchsetzen. Schließlich kann nicht behauptet werden, dass sie zum Kaufzeitpunkt nichts von den Mängeln wussten.

Anders sieht es lediglich bei PKW-Besitzern aus, die bereits vor der Kundeninformations-Kampagne einen gebrauchten Diesel von VW, Audi, Porsche, Seat oder Skoda gekauft haben. Entsprechende Fahrzeughalter müssen zwar ebenfalls mit Rückrufen und Stilllegungen rechnen, können allerdings Schadensersatzansprüche aufgrund der vorhandenen Abschalteinrichtungen geltend machen.

Abgasskandal: Risikofreie Rechtsdurchsetzung ist möglich

Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen haben grundsätzlich die Möglichkeit, die verantwortlichen Fahrzeughersteller juristisch zur Rücknahme der betroffenen Autos zu verpflichten. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die im Normalfall über dem aktuellen Gebrauchtwagenmarktwert des jeweiligen Fahrzeugs liegt. Alternativ ist es aber oftmals auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. So übernehmen Rechtsschutzversicherungen die vollständigen Anwalts- und Verfahrenskosten ihrer Kunden. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser streckt namensgetreu sämtliche Prozesskosten vor und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision.

Die Experten von Goldenstein Rechtsanwälte beraten betroffene Halter kostenfrei bezüglich ihrer rechtlichen Möglichkeiten in der Sache. Mit dem Online-Schnellcheck der Kanzlei haben Verbraucher zudem die Möglichkeit, in wenigen Schritten zu prüfen, ob sie wegen des Abgasskandals Anspruch auf Schadensersatz haben und wie hoch dieser Anspruch ausfällt.

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