18.
Apr 2023

Verzögerungstaktik? VW legt Berufung gegen Software-Update-Urteil ein

Das VW Software-Update, mit dem die Abgasreinigung von mehreren Millionen manipulierten Diesel-Fahrzeugen normalisiert werden sollte, wurde im Februar von dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht (VG) als illegal bewertet. Eigentlich muss das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nun sämtliche upgedateten VW-Fahrzeuge erneut zurückrufen. Doch laut Informationen des Spiegels geht Volkswagen gegen das Urteil in Berufung. Prozessbeobachter vermuten eine Verzögerungstaktik des Wolfsburger Autobauers.

Das sind die Hintergründe des Verfahrens

In dem Verfahren geht es um eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das KBA. Es ist eine von insgesamt 119 Klagen, die die DUH gegen Freigabebescheide der Flensburger Behörde eingereicht hat. Konkret vermutet die DUH, dass das KBA in all diesen Fällen Diesel-Fahrzeugen die Typgenehmigung erteilte, obwohl diese eine illegale Abschalteinrichtung enthalten. Dadurch stoßen die betroffenen Fahrzeuge im normalen Straßenbetrieb unerlaubt viele Schadstoffe aus.

Im Zusammenhang mit dem VW Software-Update ist schon länger bekannt, dass dieses ein sogenanntes Thermofenster enthält. Demnach emittieren upgedatete VW-Fahrzeuge nur bei Temperaturen zwischen ungefähr 15 und 33 Grad niedrige Abgasmengen. Unter- und oberhalb dieses Temperaturfensters stoßen die betroffenen Fahrzeuge hingegen unerlaubt viele Schadstoffe aus. Da bei amtlichen Abgastests allerdings im Normalfall ungefähr 26 Grad herrschen, fiel dies auf dem Prüfstand nicht auf.

Europäischer Gerichtshof: Hohe Hürden für Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung

Dass Thermofenster illegal sind, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits mehrfach bestätigt. Demnach sind Abschalteinrichtungen, die sich auf die Abgasreinigung eines in Europa zugelassenen Fahrzeug nur in absoluten Ausnahmefällen erlaubt. Beispielsweise dürfen solche Einrichtungen verwendet werden, wenn sie vor unmittelbar auftretenden Motorschäden oder Gefahrensituationen schützen. Abschalteinrichtungen, die – wie das VW Software-Update – fast ganzjährig für einen unerlaubt hohen Schadstoffausstoß sorgen, sind laut EuGH allerdings illegal.

Vor diesem Hintergrund bewertete das Schleswiger Verwaltungsgericht folgerichtig auch das VW Software-Update als unzulässig. Das KBA muss nun eigentlich einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge anordnen, damit deren Abgasreinigung tatsächlich normalisiert wird. Wenn dies nicht gewährleistet werden kann, droht den Diesel-Fahrzeugen sogar die Stilllegung. Dann dürften diese nicht länger auf europäischen Straßen geparkt oder gefahren werden. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, denn das Verwaltungsgericht ließ die Möglichkeit zu, gegen das Urteil in Berufung zu gehen und ermöglichte sogar eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht.

Während das KBA als eigentliche Beklagte wohl nicht gegen das Urteil vorgeht, nimmt VW als beigeladene Partei laut Spiegel die Möglichkeit wahr, Berufung einzulegen. Allerdings lässt Volkswagen die Entscheidung offenbar nicht direkt durch das Bundesverwaltungsgericht, sondern zunächst nur die nächsthöhere Instanz – das Oberverwaltungsgericht – bewerten.

Verbraucheranwalt: VW setzt auf Verzögerungstaktik

“Ein solcher Schritt kann nur als Verzögerungstaktik bewertet werden”, meint Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen gleichnamige Kanzlei mehr als 50.000 Halter im Zusammenhang mit dem Abgasskandal vertritt. Er ergänzt:

“VW geht es nicht darum, Rechtssicherheit zu schaffen. Sonst würde der Wolfsburger Konzern sich direkt an das Bundesverwaltungsgericht wenden. Stattdessen weiß der Volkswagen, dass die Berufung sowieso keinen Erfolg haben wird. Allerdings profitiert VW davon, ein Grundsatzurteil in der Sache hinauszuzögern, da die betroffenen Fahrzeuge dann teilweise deutlich weniger Wert bzw. teilweise sogar nicht mehr nutzbar sind. Dadurch kann VW die eigenen Kosten für weitere Nachrüstungen und Entschädigungen reduzieren.

Wenn das Software-Update von dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls als illegal bewertet wird, könnten nämlich selbst PKW-Besitzer, die ihr upgedatetes Fahrzeug nach dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals gekauft haben, Schadensersatzansprüche wegen des Abgasskandals durchsetzen. Schließlich sind diese davon ausgegangen, dass ihre Autos durch das Software-Update die vorgeschriebenen Umweltvorgaben erfüllen. VW hat allerdings auch diese PKW-Besitzer offensichtlich getäuscht und geschädigt.”

Abgasskandal: Diese Rechte haben betroffene Fahrzeughalter

Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen hätten ihre Kaufverträge wohl nicht – oder zumindest nicht zu denselben Konditionen – abgeschlossen, wenn sie zum Kaufzeitpunkt von den Manipulationen gewusst hätten. Schließlich kann der Abgasskandal nachweislich zu Wertverlusten und auch Folgeschäden führen. Unter anderem deshalb haben die Besitzer der betroffenen Diesel-Fahrzeuge Anspruch auf Schadensersatz.

Konkret haben die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen die Möglichkeit, ihr Auto im Rahmen einer Klage an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die im Normalfall über dem aktuellen Gebrauchtwagenmarktwert des jeweiligen Fahrzeugs liegt. Alternativ ist es aber oftmals auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.

Die Experten von Goldenstein Rechtsanwälte beraten betroffene Halter kostenfrei bezüglich ihrer rechtlichen Möglichkeiten in der Sache. Mit dem Online-Schnellcheck der Kanzlei haben Verbraucher darüber hinaus die Möglichkeit, in wenigen Schritten zu prüfen, ob sie wegen des Abgasskandals Anspruch auf Schadensersatz haben und wie hoch dieser Anspruch ausfällt.

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