26.
Apr 2024

BGH-Verfahren zur Erstattung von Wettverlusten: Alle wichtigen Fragen und Antworten

Am kommenden Donnerstag werden sich die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) erstmals im Rahmen einer mündlichen Verhandlung mit der Frage befassen, ob Online-Wettverluste von illegalen Sportwettenanbietern zurückgefordert werden können. Von einer verbraucherfreundlichen Grundsatzentscheidung könnten Hunderttausende Glücksspieler aus ganz Deutschland profitieren. Den verantwortlichen Glücksspielunternehmen droht hingegen eine Klageflut. Rechtsanwalt Claus Goldenstein beantwortet nachfolgend die wichtigsten Fragen zu dem Verfahren. Goldensteins gleichnamige Verbraucherkanzlei vertritt bereits mehr als 4.000 Mandanten im Zusammenhang mit Rückforderungen aus illegalem Online-Glücksspiel.

Worum geht es in dem Verfahren?

In dem Verfahren am Bundesgerichtshof geht es um die Klage eines Mannes, der im Jahr 2018 rund 12.000 Euro bei Online-Sportwetten des Wettanbieters Betano verloren hat. Zu diesem Zeitpunkt verfügte Betano bzw. dessen Muttergesellschaft, die Betkick Sportwettenservice GmbH aus Österreich, allerdings nicht über eine deutsche Lizenz, um Online-Glücksspiel anbieten zu dürfen.

Generell wurde der deutsche Online-Glücksspielmarkt erst im Juli 2021 bundesweit liberalisiert, als der neue Glücksspielstaatsvertrag in Kraft trat. Zwar gab es zuvor kein Vollverbot für Online-Sportwetten, wie es in Deutschland beispielsweise für Poker-Websites und virtuelle Automatenspiele galt. Doch die ersten bundesweit gültigen Lizenzen für Online-Sportwetten wurden trotzdem erst im Oktober 2020 erteilt. Betano erhielt eine solche Konzession im Februar 2021.

Die Klägerseite argumentiert daher, dass die Wettverträge zwischen dem Kläger und Betano unwirksam waren, da das Sportwetten-Angebot von Betano hierzulande ohne deutsche Lizenz illegal gewesen sei. Deshalb forderte der Kläger die vollständige Rückzahlung seiner Wettverluste von dem österreichischen Wettanbieter. Mit seiner Klage war der Mann in der Vorinstanz am Oberlandesgericht Dresden bereits erfolgreich. Nun müssen die obersten Zivilrichter Deutschlands am BGH entscheiden, ob Betano dem Kläger tatsächlich seine Online-Wettverluste vollständig erstatten muss.

 

Wann wird mit einer Entscheidung gerechnet?

Es ist möglich, dass die BGH-Richter bereits am kommenden Donnerstag eine Entscheidung verkünden werden. Es ist allerdings auch denkbar, dass das Urteil erst mehrere Tage oder Wochen nach der mündlichen Verhandlung verkündet wird. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Termin kurzfristig sogar noch abgesagt wird und es zunächst zu keiner Grundsatzentscheidung in der Sache kommt. Das liegt daran, dass Betano wenig Interesse an einer verbraucherfreundlichen Entscheidung durch den BGH haben dürfte.

Einerseits würde aufgrund eines solchen Urteils und der damit verbundenen Berichterstattung wohl eine Klagewelle auf Betano und die ganze Glücksspielindustrie zurollen. Andererseits würde Betano als offizieller Wettsponsor der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland kurz vor diesem Großereignis einen erheblichen Imageschaden erleiden, wenn der Wettanbieter in Deutschland wegen illegaler Sportwetten verurteilt würde. Deshalb ist es denkbar, dass sich Betano kurzfristig dazu entscheidet, die Entscheidung aus der Vorinstanz doch zu akzeptieren und die eigene Revision zurückzuziehen. Dadurch müsste Betano den Kläger zwar entschädigen, würde aber eine mögliche Klagewelle nach einer verbraucherfreundlichen BGH-Entscheidung verhindern oder zumindest eindämmen. Auf ähnliche Weise haben verschiedene Automobilhersteller im Zusammenhang mit dem Abgasskandal bereits BGH-Grundsatzentscheidungen verhindert.

 

Welche Entscheidung wird erwartet?

Sollte das Verfahren, wie geplant, am kommenden Donnerstag stattfinden, hat der Kläger sehr gute Aussichten auf Erfolg. Bereits in der Vorinstanz am Oberlandesgericht Dresden wurde dem Mann die Erstattung seiner Wettverluste zugesprochen. Zudem haben sich die BGH-Richter vor wenigen Wochen bereits im Rahmen eines Hinweisbeschlusses zum Thema verbraucherfreundlich positioniert.

In diesem Hinweisbeschluss haben Deutschlands oberste Zivilrichter eindeutig hervorgehoben, dass sie Rückforderungsansprüche wegen illegaler Online-Wetten für begründet halten. Dass sie diese Rechtsauffassung bereits vor der mündlichen Verhandlung veröffentlicht haben, ist eher ungewöhnlich, hat aber gute Gründe. Am BGH wird offensichtlich ebenfalls vermutet, dass Betano das Verfahren kurzfristig verhindert, wodurch die Rechtsauffassung der BGH-Richter vorerst kein Gehör in der Öffentlichkeit finden würde. Mit ihrem Hinweisbeschluss sendeten die BGH-Richter daher nicht nur an betroffene Glücksspieler ein eindeutiges Signal, sondern auch an alle deutschen Zivilgerichte, die sich mit entsprechenden Verfahren befassen und sich bei ihrer Rechtsfindung nun auf das Schriftstück des BGH berufen können.

Ohnehin haben aber fast alle deutschen Amts-, Land- und Oberlandesgerichte in der Vergangenheit im Rahmen ähnlich gelagerter Verfahren fast ausnahmslos zugunsten der Klägerseite entschieden. Ein BGH-Urteil würde nun unabhängig von dem bereits veröffentlichten Hinweisbeschluss endgültig für Rechtssicherheit in der Sache sorgen. Dass Betano vor dem BGH Erfolg hat, gilt als nahezu ausgeschlossen.

 

Welche Auswirkungen hätte eine verbraucherfreundliche Entscheidung der BGH-Richter?

Sollten die BGH-Richter die Rückerstattungsansprüche des Klägers bestätigen, hätte dies vermutlich eine Klagewelle zur Folge. Zwar geht es am BGH nur um die Rückerstattung in Höhe von rund 12.000 Euro. Doch im Zuge eines verbraucherfreundlichen Urteils könnten Klagen in Milliardenhöhe auf Betano und andere Glücksspielanbieter wie Tipico oder BWIN zukommen.

In Deutschland leben nämlich rund 1,3 Millionen Spielsüchtige und Hunderttausende von ihnen haben in den vergangenen Jahren an illegalem Online-Glücksspiel teilgenommen und teils exorbitante Summen verspielt. Allein wir von Goldenstein Rechtsanwälte setzen für unsere Mandanten in diesem Bereich im Schnitt Rückforderungsansprüche in Höhe von rund 32.000 Euro durch. Einige unserer Mandanten haben sogar hohe sechsstellige Summen verzockt.

Obwohl sich die BGH-Entscheidung zunächst nur auf Rückforderungen von Verlusten aus Sportwetten bezieht, würden voraussichtlich auch zahlreiche Menschen, die Geld in Online-Casinos oder auf Poker-Websites verzockt haben, ihre Verluste zurückfordern.

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