24.
Feb 2023

Nach erfolgreicher DUH-Klage: Der Dieselskandal geht in die Verlängerung

Wie dreist kann ein Autohersteller eigentlich sein? Diese Frage schwirrt vermutlich vielen Verbrauchern aktuell durch den Kopf, die von einem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erfahren haben. Die Schleswiger Richter entschieden nämlich, dass auch das VW Software-Update, mit dem die Abgasreinigung von illegal manipulierten Diesel-Fahrzeugen normalisiert werden sollte, unzulässige Abschalteinrichtungen enthält. Nun geht der Abgasskandal in die Verlängerung. Das Urteil hat auch Auswirkungen auf andere Autobauer.

Mehr als zwei Millionen Fahrzeuge in Deutschland erhielten VW Software-Update

Das VW Software-Update wurde 2016 allein in Deutschland auf mehr als zwei Millionen Diesel-Fahrzeugen installiert, die zuvor wegen des Abgasskandals zurückgerufen wurden. Durch die Installation des Updates verhinderten die betroffenen PKW-Besitzer die Stilllegung ihrer manipulierten Diesel-Autos.

Unabhängige Abgastests ergaben allerdings, dass die manipulierten Fahrzeuge nach dem Update teilweise noch mehr Schadstoffe ausstoßen als zuvor. Das liegt unter anderem daran, dass VW ein sogenanntes Thermofenster verwendet hat, das die Abgasreinigung der Fahrzeuge bereits bei Außentemperaturen unterhalb von 15 Grad stark reduziert. Weil das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) das Update dennoch genehmigte, ging die Deutsche Umwelthilfe (DUH) juristisch gegen die Flensburger Behörde vor.

Verwaltungsgericht Schleswig: Das VW Software-Update ist illegal

Am Montag entschieden die Richter am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht nun, dass das VW Software-Update tatsächlich unzulässig ist und daher nie hätte genehmigt werden dürfen. Die Schleswiger Richter forderten das KBA folglich dazu auf, diese Genehmigung zu widerrufen. Rechtskräftig ist die Entscheidung allerdings noch nicht.

Die Schleswiger Richter ließen die Option zu, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. Tatsächlich wurde sogar eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht ermöglicht. Dadurch könnte eine Verhandlung am Oberverwaltungsgericht einfach übersprungen werden, sodass sich Deutschlands oberstes Gericht für öffentliches Recht direkt mit dem Fall befassen und zeitnah ein Grundsatzurteil verkünden würde. Davon würde auch das Schleswiger Verwaltungsgericht profitieren.

Schnelle Grundsatzentscheidung ist möglich

In den kommenden Monaten müssen sich die Schleswiger Richter nämlich mit 118 ähnlichen Klagen der DUH auseinandersetzen. Dabei geht es neben verschiedener Manipulationssoftware von VW auch um Abschalteinrichtungen von anderen Autobauern wie Mercedes-Benz, Audi, Porsche oder BMW.

Wenn die Richter am Bundesverwaltungsgericht die aktuelle Entscheidung aus dieser Woche bestätigen, könnte das Schleswiger Verwaltungsgericht auch anderen Verfahren rechtssicher auf diese Weise beenden. Möglicherweise würde es vielfach nicht einmal zu Verhandlungen kommen, da sich das KBA vermutlich im Rahmen von außergerichtlichen Einigungen zu einem Rückruf der betroffenen Fahrzeuge verpflichten würde, um Verfahrenskosten zu sparen. Es könnte also innerhalb der kommenden Monate zum Rückruf von bis zu zehn Millionen Diesel-PKW kommen.

EuGH-Rechtsprechung: Hohe Hürden für Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung

Dass das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsauffassung der Schleswiger Richter folgen wird, ist sehr wahrscheinlich. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nämlich bereits mehrfach hohe Hürden für die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung definiert.

Demnach darf die Abgasreinigung nur reduziert oder komplett heruntergefahren werden, wenn dies ausschließlich in Ausnahmesituationen passiert und das betroffene Fahrzeug dadurch vor unmittelbar auftretenden Schäden oder Unfällen geschützt wird. Dieser Definition werden die gängigen Abschalteinrichtungen der Automobilindustrie allerdings nicht gerecht, was auch das Verwaltungsgericht Schleswig in Bezug auf das VW Software-Update zu bedenken gab.

Wichtiges Urteil zu Abgasskandal-Ansprüchen steht an

Dass die Halter der manipulierten Fahrzeuge auch Schadensersatzansprüche durchsetzen können, ist mehr als wahrscheinlich. Zwar gab der deutsche Bundesgerichtshof in Bezug auf Thermofenster in der Vergangenheit zu bedenken, dass diesbezüglich kein Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung vorliegen könnte und Rechtsansprüche deshalb möglicherweise nicht bestünden. Doch der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verkündete im letzten Jahr, dass Schadensersatzansprüche wegen des Abgasskandals selbst bei fahrlässiger Schädigung bestehen.

Noch am 21. März werden die EuGH-Richter nun ein abschließendes Urteil in der Sache verkünden. Sollten sie der Generalanwaltschaft folgen, wovon auszugehen ist, würde das die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal enorm vereinfachen. Künftig müsste nämlich im Prinzip nur noch der Nachweis einer illegalen Abschalteinrichtung erfolgen. Dies ist bei amtlich zurückgerufenen Fahrzeugen sehr einfach. Aber auch bei nicht zurückgerufenen Fahrzeugen können illegale Abschalteinrichtungen beispielsweise mittels eines Sachverständigengutachtens nachgewiesen werden.

Da wegen der DUH-Klagen bis zu zehn Millionen Fahrzeuge zurückgerufen werden könnten, sollten sich die Besitzer von Diesel-Fahrzeugen bereits jetzt über ihre rechtlichen Möglichkeiten in der Sache informieren. Aufgrund der Vielzahl an betroffenen Automobilen, wird es nämlich voraussichtlich zu einer Klagewelle und einer “Verstopfung” der zuständigen Gerichte kommen. Je eher sich Verbraucher gegen die negativen Folgen des Abgasskandals zur Wehr setzen, umso eher erhalten sie auch eine Entschädigung.

 

Abgasskandal: Die bestehenden Rechtsansprüche

Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen haben grundsätzlich die Option, ihr Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es oftmals auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision.

Die Experten von Goldenstein Rechtsanwälte beraten betroffene Halter kostenfrei bezüglich ihrer rechtlichen Möglichkeiten in der Sache. Mit dem Online-Schnellcheck der Kanzlei haben Verbraucher darüber hinaus die Möglichkeit, in wenigen Schritten zu prüfen, ob sie wegen des Abgasskandals Anspruch auf Schadensersatz haben und wie hoch dieser Anspruch ausfällt.

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