17.
Jan 2024

Diesel-Urteil: Der VW-Abgasskandal beginnt von vorn

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat aktuell entschieden, dass mehrere Millionen Diesel-Fahrzeuge aus dem VW-Konzern wegen des Abgasskandals zurückgerufen werden müssen. „Mit diesem Urteil beginnt der VW-Abgasskandal von vorn. Viele betroffene PKW-Besitzer können Schadensersatzansprüche geltend machen. Für Fahrzeuge, die nach einer erfolgreichen Schadensersatzklage weiterverkauft wurden, könnten sogar zum zweiten Mal Klagen eingereicht werden. Volkswagen hat dieses Klagerisiko bereits erkannt und lässt Gebrauchtwagenkäufer der betroffenen Modelle deshalb vor dem Kauf eine Kundeninformation unterzeichnen, um nicht wegen des Abgasskandals haftbar gemacht werden zu können. Dieses Schreiben dürften bislang allerdings nur wenige PKW-Käufer unterzeichnet haben”, erklärt Rechtsanwalt Claus Goldenstein. Goldenstein ist Inhaber der gleichnamigen Verbraucherkanzlei, die im mehr als 65.000 Mandanten im Abgasskandal vertritt und in der Sache für das erste verbraucherfreundliche Urteil des Bundesgerichtshofs verantwortlich ist.

Das sind die Hintergründe des Verfahrens

Im dem aktuellen Verfahren klagte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Beigeladen wurden zudem die zum VW-Konzern gehörenden Autohersteller Volkswagen, Audi und Seat. Konkret ging es in dem Verfahren um ein sogenanntes Thermofenster. Das ist eine Abschalteinrichtung, die die Abgasreinigung von Diesel-Fahrzeugen bei bestimmten Temperaturen reduziert oder sogar komplett herunterfährt.

Volkswagen hat ein solches Thermofenster in dem Software-Update, mit dem die Abgasreinigung von Diesel-Fahrzeugen mit dem nachweislich manipulierten VW-Motor EA189 normalisiert werden sollte, verwendet. Außerdem wird die Abgasreinigung der betroffenen Fahrzeuge ab 1000 Höhenmetern, bei kurzfristigen Belastungen und bei längeren Zeiten im Leerlauf reduziert oder sogar komplett abgeschaltet. Das KBA hat das Update dennoch genehmigt. Gegen diese Genehmigung ging die DUH juristisch vor.

Das Verfahren ist eines von vielen, das die DUH gegen das KBA in der Sache führt. In einer Reihe von ähnlich gelagerten Fällen geht es auch um PKW-Modelle von Herstellern außerhalb des VW-Konzerns, zum Beispiel Mercedes-Benz oder Opel.

 

VW weist in Kundeninformation selbst auf vorhandene Abschalteinrichtungen hin

„Die Richter am Verwaltungsgericht in Schleswig haben entschieden, dass das Kraftfahrt-Bundesamt das Software-Update, mit dem VW die Manipulationssoftware in mehreren Millionen illegal manipulierten Diesel-Fahrzeugen beseitigen wollte, eigentlich nie hätte genehmigen dürfen. Das Update enthält nämlich ebenfalls unzulässige Abschalteinrichtungen – unter anderem ein sogenanntes Thermofenster. Dadurch stoßen die betroffenen Fahrzeuge insbesondere bei niedrigen Temperaturen, wie sie aktuell in Deutschland herrschen, unerlaubt viele Schadstoffe aus.

Wer ein solches Update auf sein illegal manipuliertes Fahrzeug aufspielen ließ oder ein upgedatetes Fahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt erwarb, ging von der Zulässigkeit des Updates aus. Da dies offensichtlich nicht der Fall ist, können betroffene PKW-Besitzer Schadensersatzansprüche durchsetzen. Schließlich drohen ernsthafte Konsequenzen wegen des Abgasskandals. Darauf macht VW die Käufer von entsprechenden Gebrauchtwagenmodellen seit mehreren Monaten sogar selbst aufmerksam. Der Konzern ist sich seiner Schuld offensichtlich bewusst.

In einer schriftlichen Kundeninformation, die vor jedem Kauf bei einem Händler aus dem VW-Konzern unterzeichnet werden muss, weist Volkswagen darauf hin, dass das jeweilige Fahrzeug eine oder mehrere Abschalteinrichtungen enthält, die als unzulässig erklärt werden könnten. Ferner führt VW aus, dass die betroffenen Fahrzeuge zurückgerufen werden, hohe Wertverluste erleiden und im schlimmsten Fall sogar komplett stillgelegt werden könnten. Wer das Schreiben nicht unterzeichnet, darf den Kauf nicht abschließen.

Dadurch versucht VW, in der Sache nicht mehr haftbar gemacht werden zu können. Wir von Goldenstein Rechtsanwälte raten dringend davon ab, ein solches Dokument zu unterschreiben, da Fahrzeugkäufer dadurch im schlimmsten Fall auf einem stillgelegten Auto sitzen bleiben könnten. Dieses dürfte auf europäischen Straßen nicht mehr gefahren oder geparkt werden und wäre somit wertlos”, kommentiert Claus Goldenstein und ergänzt:

 

Verbraucheranwalt wirft VW und dem KBA Verzögerungstaktik vor

“Da das heutige Urteil noch nicht rechtskräftig ist, wird es vermutlich noch Monate oder sogar Jahre dauern, bis es tatsächlich zu erneuten Rückrufen in der Sache kommt. Im Rahmen einer ähnlichen Entscheidung legten das Kraftfahrt-Bundesamt und Volkswagen nämlich bereits Einspruch gegen das damals verkündete Urteil ein und so wird es vermutlich auch in diesem Fall sein. Da die Rechtslage in der Sache allerdings sehr eindeutig ist, lässt sich die endgültige Entscheidung durch die Revision mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht verhindern, sondern nur verzögern.

Betroffene PKW-Besitzer sollten sich von dieser Verzögerungstaktik nicht beirren lassen, denn es besteht auch jetzt schon die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Richter am Europäischen Gerichtshof haben Thermofenster schon mehrfach als unzulässig eingestuft und auch am Bundesgerichtshof wurde mittlerweile bestätigt, dass deshalb grundsätzlich Schadensersatzansprüche bestehen. Wer zu lange wartet, riskiert allerdings, leer auszugehen. Die Höhe der möglichen Entschädigung sinkt nämlich mit jedem gefahrenen Kilometer.

Das dürfte auch einer der Hauptgründe für VW sein, weitere Rückrufe möglichst lange hinauszuzögern. In Rahmen eines Rückrufs müsste VW nämlich alle betroffenen Fahrzeughalter schriftlich kontaktieren und über die Manipulationen informieren. Das dürfte die Klagebereitschaft der betroffenen PKW-Besitzer erhöhen. Je länger VW dies hinauszögert, desto geringer fällt die Höhe der möglichen Schadensersatzansprüche aus”

 

Diese Rechte haben betroffene Verbraucher wegen des Abgasskandals

Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen hätten ihre Autos im Normalfall nicht oder zumindest nicht zu denselben Konditionen erworben, wenn der Abgasskandal zum Kaufzeitpunkt bereits bekannt gewesen wäre. Die Manipulationen können nämlich unter anderem zu Wertverlusten und sogar zu Fahrzeugschäden führen. Deshalb bestehen Schadensersatzansprüche.

Grundsätzlich haben betroffene PKW-Besitzer die Möglichkeit, das eigene Fahrzeug an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es oftmals auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufpreises durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.

Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision.

 

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